Schmerzen in der Schulter beim Radfahren - Ursachen und Maßnahmen

Frau und Mann auf Tourenrädern in der Stadt

Viele Radfahrer klagen über Schmerzen in der Schulter. Wir zeigen dir Gründe und die besten Experten-Tipps dagegen!

Schmerzen in der Schulter beim Radfahren

Schulterschmerzen nach dem Radfahren vermutet man hauptsächlich unter ambitionierten Mountainbiker*innen, die auf der Downhill-Hatz hunderte harte Schläge vom Lenker mit reiner Armkraft und dem Oberkörper abfangen müssen. Fahrer*innen von Trekkingrädern mit ihrer eher aufrechten Sitzhaltung hat man hier eher nicht im Blick. Zu Unrecht. Ob man bei oder nach dem Radfahren Schulterprobleme spürt, liegt weniger an der Radgattung als an der Sitzposition, am entsprechenden Druck auf Arme und Hände, an Länge und Art der zurückgelegten Strecken, am Trainingszustand der Muskeln im Schulterbereich und nicht zuletzt an der Kleidung. Wichtig ist, dabei zu unterscheiden: Welche Symptome stammen aus dem Alltag und treten erst beim Fahrradfahren auf, und welche Schmerzen haben ihren Ursprung auf dem Rad. Die rein im Fahrradfahren begründeten Beschwerden kann man größtenteils abstellen.

Warum habe ich Verspannung in Schultern und Nacken nach dem Radfahren?

Eine gesunde Schulter sollte selbst mehrere Stunden auf dem Fahrrad ohne Beschwerden und Überlastung überstehen – wenn das Rad optimal auf den Menschen eingestellt ist! Und damit ist deutlich mehr als nur die Sattelhöhe gemeint. Das Schultergelenk wird zwar oft dem Kugelgelenk an der Hüfte geleichgesetzt, ist aber trotz seiner Beweglichkeit in jede Richtung deutlich anders aufgebaut. Der Gelenkkopf der Schulter sitzt hier nicht umhüllt von einer Gelenkpfanne, sondern wird gegen eine unterdimensionierte, leicht gewölbte Fläche gezogen. Das sieht etwa so aus, als würde ein Basketball auf einer Teeuntertasse rotieren. 

Diese Bauweise ergibt maximale Bewegungsfreiheit zum Oberkörper in alle Richtungen inklusive der Rotation im Gelenk. Allerdings ist dieses Konstrukt auch recht fragil, denn der Gelenkkopf wird nur durch einige kräftige Bänder und die umgebenden Muskeln beziehungsweise Sehnen auf der Gleitfläche gehalten. Je nach deren Trainingszustand kann eine Schulter schnell labil werden. Je weniger Muskelmasse und Muskelspannung hier das Gelenk sichern, desto anfälliger ist es für Fehlbelastungen, Schmerzen und Verletzungen. Frauen mit durchschnittlich weniger Muskelmasse müssen hier noch mehr auf deren Trainingszustand achten. Gleichzeitig sind diese Muskeln um das Gelenk herum sehr unterschiedlich stark, und je nach Armstellung müssen teils sehr dünne Muskelbündel hohe Kräfte aufbringen. In dieser partiellen Überlastung liegt der Grund für viele Schulterprobleme. In den meisten Fällen wird der Oberarmkopf ohne ausreichende Haltekräfte von unten gegen das Schulterdach gedrückt und klemmt dabei Sehnen, den Schleimbeutel und sogar Muskeln du Nerven ein, diese Verengung ist als Impingement-Syndrom recht bekannt. Das Anheben des Arms ist spätestens ab der Waagerechten dann sehr schmerzhaft. Dehn- und Kräftigungsübungen schaffen hier wieder mehr Platz. Seilspringen mit beschwerten Griffen hat sich hier unter anderen bewährt.

Frau auf Tourenrad, Fokus auf Oberkörper und Schulter
Hiermit findest du deine optimale Sitzposiiton

Mit Ergonomie zur Schmerzfreiheit

Gerade für längere oder ruppige Tage im Fahrradsattel ist es deshalb logisch, eher die starken und ausdauernden Partien der Schultermuskeln zu nutzen. Das passiert in ergonomisch gut eingestellter Sitzposition fast automatisch, man muss also nicht dauerhaft auf seine Haltung oder die Stellung der Gelenke achten. Auf einem schlecht eingestellten Rad, eventuell sogar in der unpassenden Rahmengröße und mit falschem Lenkersetup und unergonomischer Sattelhöhe, verändert sich die Körperhaltung zwar nicht extrem, aber Arme, Beine, Handgelenke, Knie und Becken arbeiten nicht mehr in den optimalen, effizienten Winkeln. Ein Beispiel zur Verdeutlichung wäre der klassische Rundrücken bei zu kleinem Abstand zum Lenker. Er fällt optisch kaum auf, verursacht auf Dauer aber immense Nackenschmerzen.  

Genauso verhält es sich mit der Schulter. Wenn die Arme einen rechten Winkel zum Oberkörper bilden und die Hände den Lenker etwas weiter als schulterbreit packen, tragen der Trizeps-Muskel auf der Rückseite des Oberarms, der Latissimus-Muskel (latissimus dorsi) von der Schulter seitlich entlang des Brustkorbes und der große Brustmuskel (musculus pectoralis major) den Großteil der Last. Für den Pectoralis, der als größter und stärkster Muskel an Bewegungen im Schultergelenk beteiligt ist, ist die oben aufgezeigte Haltung die effizienteste Stellung. Das gilt auch für das Abfangen von Schlägen vom Vorderrad. Seine volle Wirkung kann der Pectoralis entfalten, wenn die Ellbogen nach außen zeigen. Wann immer also große Haltekraft gefordert ist, sollte man die Arme um 80 oder 90 Grad auswärts rotieren, um die Schulter optimal einzusetzen.

EXPERIMENT: Um selbst zu erfahren, wie die Effizienz von Gelenkwinkeln abnimmt: Gehe in den Liegestütz, alternativ auch mit den Knien / Kniescheiben statt Füßen am Boden, stütze die Hände dabei leicht weiter als schulterbreit auf, die gestreckten Arme stehen von der Seite betrachtet im 90 Grad-Winkel zum Rumpf. Schiebe nun vorsichtig den Körper langsam nach vorn über die Hände hinweg, die Stabilisierung in der Schulter wird merklich schwerer. In Richtung der Füße verschoben ist der Effekt ähnlich. Dreh dabei auch einmal die Ellbogen in Richtung der Füße und 90 Grad zur Seite, auch den Unterschied spürt man sofort.

Frau auf Fitnessrad, steht leicht gebeugt auf den Pedalen

Schulterschmerzen durch falsche Haltung beim Biken

Sitzposition und Haltung klingen ähnlich, bedeuten aber etwas Unterschiedliches. Ersteres hat mit den Einstellungen des Rades zu tun, seine Haltung kann man innerhalb dieses Setups während der Fahrt beeinflussen. Haltungsfehler Nummer eins auf dem Fahrrad sind durchgedrückte Ellenbogen (siehe auch männliches Modell unseres Aufmacher-Fotos). Die Arme dienen dem Körper beim Radfahren unter anderem als zusätzliche Stoßdämpfer. Stehen Unterarm und Oberarm aber senkrecht aufeinander, geht die Kraft geradlinig durch bis in die Schultern. Und wie gesagt, dort müssen ausschließlich Muskelstränge und Bänder diesen Stoß ungefiltert abfangen. Die Bänder der Schulter verlaufen übrigens nicht parallel vom Arm zu Schulterblatt und Schulterblatthöhe, daran befindet sich die kleine Gelenkpfanne. Die Schulterbänder sind als sogenannte Rotatorenmanschette um das Gelenk gewunden. Je weiter man den Arm hebt, desto weniger diagonal und damit stabil verläuft die Manschette. Sportler*innen auf einem Rennrad und Triathlet*innen mit ihrer teils sehr lang gestreckten Position auf dem Auflieger sollten darum nochmal mehr harte Schläge vom Vorderrad vermeiden.

Frau und Mann fahren mit Rennrädern auf einer Landstraße.

Gute Kleidung verhindert Schulterprobleme auf dem Rad

Das ist tatsächlich so. Gerade bei Strecken mit Anstiegen und Abfahrten wechseln sich Phasen des Schwitzens und der Zugluft ab. Besonders die im Wind exponierten Schultern kühlen sehr schnell aus. Außerdem ist es eine unwillkürliche Reaktion des Körpers, bei Frieren, die Schultern hochzuziehen. Das macht unter anderen der vom Hals sichtbar seitlich abwärts verlaufende Anteil des großen Trapezmuskels. Ausgekühlt durch Wind und überlastet bis verkrampft vom fortwährenden Heben schmerzt dieser Muskel im Allgemeinen als erstes. Gegenmaßnahmen sind schnell trocknende Radbekleidung aus Kunstfasern und falls nötig das Anlegen einer Windjacke bei jeder Abfahrt. Ist das nicht möglich oder reicht es nicht aus, kann man sich auf den Abfahrten bewusst zwingen, eben nicht wegen der Kälte zu verkrampfen. Das tut man übrigens auch, wenn ganz andere Körperteile frieren, die gar nicht die Schultern an sich betreffen.  

TIPP: Auch zu enge Jacken und schlecht sitzende, schwere Rucksäcke können das unwillkürlich fortwährende Hochziehen der Schultern auslösen.

Mann auf Touringrad

Was hilft bei Schulterschmerzen auf längeren Radfahrten?

Die Schulter ist ein recht weitläufiges Areal. Sie besteht nicht nur aus dem Gelenk, das den Oberarm bewegt, sondern auch aus dem Schulterblatt, dessen rein muskulärer Verbindung zum Rumpf sowie den Muskelsträngen, die zur Mitte des Rückens, seitlich an den Rippen und in die Halswirbelsäule ausstrahlen. Deshalb sind auch mögliche Ursachen für Schmerzen in der gesamten Schulterpartie sehr vielfältig. Um nicht zu umfangreich zu werden, hier die weniger wahrscheinlichen Gründe oder Tipps in jeweils kurzer Form:

Handhaltung: Durch verdrehen des Lenkers entsteht manchmal die Situation, dass Griffe vom Daumen nach außen aufwärts stehen. Die ausgelöste Innenrotation in den Armen veranlasst Radfahrer*innen häufig, wie oben beschrieben die Schulter Richtung Ohren zu ziehen und halten. Die Handposition sollte waagerecht bis abwärts verlaufen.

Eine Person hält den ergonomischen Fahrradgriff GP1 Evo von Ergon, während sie ein Fahrrad lenkt. Im Hintergrund blühen orangefarbene Blumen.

Lenkerbreite: Wie gesagt liegt die biomechanisch ideale Stützweite bei Schulterbreite plus etwa eine Handbreit auf jeder Seite. Extreme offroad-Pisten oder Downhills benötigen aber mehr Lenkkraft und damit mehr Hebel durch deutlich breitere Lenker. Breiten über 60 bis teils 80 Zentimeter sind aber wieder zum Greifen ungünstiger (sehr breiter Liegestütz). Also nur, wer das Extra an Hebelkraft zum Halten des Lenkers braucht, sollt breiter als 60 Zentimeter greifen. Die Dropbar-Lenker an Rennrädern und Gravelbikes sind nur zwischen 38 und 46 Zentimeter breit und damit ergonomisch gut, dafür sind die Hände darauf in Standardhaltung um 90 Grad rotiert (Daumen in Fahrtrichtung). Das bringt die Ellenbogen zum Körper und die Schulter in weniger optimale Funktion. Zumindest harte Schläge vom Vorderrad sollte man mit aktiv auswärts rotierten Armen abfangen.

Frau und Mann fahren mit Fitnessbikes am Wasser entlang.

Oberkörperneigung: Je höher der Lenker, desto schonender die Körperhaltung, das stimmt so leider nicht und vor allem die Übertreibung bis hin zur Rücklage ist wieder sehr kontraproduktiv. Montiert man den Lenker sehr hoch, entsteht der gleiche Effekt wie bei den aufwärts gerichteten Griffen. Wer nicht auf dem Lenker stützt, sondern eher daran hängt, zieht oft auch die Schultern hoch und spürt das mit der Zeit.

Mann fährt mit E-Bike über einen Feldweg.

Lenkerform: Wer die Schultern bei Rädern mit Flatbar nicht hochzieht, sondern dauerhaft nach vorne schiebt, kompensiert damit meist eine zu langgestreckte Sitzposition mit zusätzlich recht breiter Handhaltung. Das führt zu früher Ermüdung der Schultern. Eine schnelle Lösung sind Lenker mit gemäßigtem Backsweep, also einer Krümmung nach hinten. Die Arme stützen damit weiter breit und mit langem Hebel zum Lenken, sie nehmen aber einen effektiveren Winkel zum Oberkörper ein, außerdem wird der Abstand der Griffe zum Sattel etwas geringer.

Ein Fahrradfahrer nutzt den GP1 Evo Griff von Ergon. Der Lenker des Fahrrads ist zu sehen, mit einer ländlichen Landschaft im Hintergrund.

Sitzposition: Ist die Sitzlänge, also der Abstand zwischen Griffen und Sattel, zu kurz, verfällt man schnell in einen Katzenbuckel. Die vorgekrümmte Brustwirbelsäule beugt sich vorwärts und man neigt sich unweigerlich über Lenker und Hände. Um der Tendenz, über den Lenker zu kippen, entgegenzuwirken, müssen eher kleine Muskeln in der Schulter den Arm nach vorne oben rotieren, quasi gegenhalten. Das ergibt meistens ein Brennen in Schultern und Nacken. Eine größere Sitzlänge, resultierend aus größerem Nachsitz und oder längerem Vorbau, kann hier Abhilfe schaffen.

Mann und Frau fahren mit Tourenrädern durch die Stadt.

Kopfhaltung: Eng mit diesem Malheur ist eine falsche Kopfhaltung verbunden. Die falsche Sitzlänge, und zwar zu groß wie zu klein, kann zu Schmerzen im Nacken führen, die den kompletten Hals entlang bis in die Schulterblätter und den Rücken strahlt. Die Linie des Rückens muss gerade sein und sich bis in den Kopf fortsetzen. Das heißt: Selbst bei sportlicher Sitzposition sollte der Kopf nicht dauerhaft senkrecht gehalten werden, als würde man weit in die Ferne oder nach oben sehen. Er soll entspannt ohne Knick in der Halswirbelsäule auf den Schultern ruhen, die Anhebung der Blickachse erfolgt viel besser mittels der Augen.

Frau lachend auf Fitnessbike.

Beckenposition: Auch eine ungünstige Neigung des Beckens kann sich über den Rücken bis in den Schultergürtel übertragen. Wenn man den Verdacht hat, die Probleme entstammen der Sitzposition, sollte man auf Nummer sicher gehen und ein Bikefitting durchführen, also alles von Grund auf neu einstellen. Wer sich diesbezüglich unsicher fühlt, die Ergon Fitting Box ist ein hervorragender Leitfaden inklusive aller nötigen Tools.  

Frau sitzt auf Tourenrad. Nahaufnahme von hinten.

Umgreifen: Was unterwegs gut hilft gehen schmerzende Schultern bis hin zu Taubheitsgefühlen im Nacken und den Extremitäten sind Positionswechsel. Das betrifft sowohl die Hände am Lenker als auch das regelmäßige aus dem Sattel gehen, und sei es nur für wenige Sekunden. Wessen Lenker nur runde Fahrradgriffe ohne zusätzliche Griffoption trägt, kann zusätzlich zum Fitting hier einen ergonomischen Fahrradgriff samt bis zu vier Griffpositionen durch optionale Barends finden.  

Person greift um den Ergon GP3.

Vorausschauen: Bereits erwähnt wurde die mechanische Belastung der Schulter durch ruppige Untergründe und Schlaglöcher beziehungsweise Hindernisse. Wenn es möglich ist, sollte man die frühzeitig erkennen und einfach umfahren. Je nach Disziplin geht das nicht oder diese Hindernisse sind sogar Teil des Sports. Trotzdem bleibt das vorausschauende Fahren wichtig, damit man sich rechtzeitig in Position – Ellenbogen deutlich gebeugt, nach außen rotiert, Arme 90 Grad zum Körper – begeben und die Muskulatur im richtigen Moment weich machen kann. Das bedeutet, dass man zum Beispiel bei Landungen nach einem Sprung nicht verkrampft den Abstand zum Lenker hält, sondern die Arme effektiv als Puffer einsetzt.  

Frau fährt mit Gravelbike durch Gelände

Lasten vermeiden: Fahrradrucksäcke sind beim Mountainbiken fast immer dabei. Schlecht sitzende Tragesysteme und zu viel unnötiger Ballast drücken aber auf die seitlich aufsitzenden Schultermuskeln (musculus trapezius descendens). Außerdem zwingen nicht ergonomische Rucksäcke Fahrer*innen oft in unnatürliche und ungewohnte Haltungen auf dem Fahrrad. Zu diesem umfangreichen Thema bietet Ergon hier zwei weitere Artikel zu den Themen: Rucksack richtig einstellen und Rucksack ideal packen

Mann trägt den BA2 Rucksack

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