Piriformis-Syndrom beim Radfahren – Ursachen & Symptome

Jonas Deichmann während einer Sitzpositionsanalyse auf seinem Rennrad. Auf dem Bildschirm im Hintergrund wird die Druckverteilung auf dem Sattel angezeigt

Das Piriformis-Syndrom ist eine neuromuskuläre Erkrankung, die auftritt, wenn der Piriformis-Muskel (Musculus Piriformis), ein kleiner Muskel im Gesäßbereich, verkürzt oder verspannt ist.

Wie der Fahrstil den Piriformis-Muskel beeinflusst

Weil unterhalb dieses birnenförmigen Muskels der Ischiasnerv (Nervus Ischiadicus) verläuft, kann diese Verhärtung des Piriformis Muskel Druck auf den Nerv ausüben. Dies wiederum führt zu Schmerzen im unteren Rücken und Gesäß, die mitunter sogar bis in die Extremität, also ins Bein ausstrahlen können. Mediziner gehen bei diesem Thema davon aus, dass rund sechs bis acht Prozent aller Schmerzsyndrome im unteren Rücken auf das Piriformis-Syndrom zurückzuführen sind.

Beim Thema Radfahren scheiden sich ein wenig die Geister.

„Es kommt darauf an, wie man fährt“, sagt Dr. Kim Tofaute, Sportergonom und Bikefitting-Spezialist. „Lockeres Fahren ist gut, weil es den Piriformis-Muskel entspannen kann, intensives Radfahren ist, zumindest wenn schon Probleme mit dem Piriformis-Muskel oder gar Ischiasnerv vorliegen, zu vermeiden.“

Kim Tofaute, Ergonom bei Ergon, führt eine ergonomische Analyse durch und überprüft den Hüftwinkel eines Radfahrers während einer Sitzpositionsanpassung.

Was ist der Piriformismuskel?

Der in der tiefen Hüftmuskulatur gelegene Musculus Piriformis (lat. für birnenförmiger Muskel) verläuft unterhalb des großen Gesäßmuskels. Sein Ansatzpunkt ist das Kreuzbein. Von der Innenfläche des Kreuzbeins zieht er zur Spitze des großen Rollhügels am Oberschenkelknochen. Seine Hauptfunktionen sind die Außenrotation der gestreckten Hüfte und die Abspreizung des Oberschenkels sowie das Heben des Oberschenkels nach hinten. Außerdem sorgt er für Stabilität im Hüftgelenk, indem er den Hüftkopf in der Gelenkpfanne hält.

Anatomische Darstellung der Hüfte mit Fokus auf den Piriformismuskel und umliegende Muskeln und Knochenstrukturen

Wie beeinflusst der Piriformis-Muskel den Ischiasnerv?

Durch eine Verspannung oder Verhärtung des Piriformis-Muskels verringert sich der Platz im großen Sitzbeinloch und es kommt zur Einengung und Reizung des Ischiasnervs (darum spricht man mitunter auch vom „Engpass-Syndrom“). Der Druck auf den Ischiasnerv (Nervus Ischiadicus) ist dann typischerweise Ursache für Symptome wie Rückenschmerzen oder Schmerzen im Gesäß, die bis in die Beine ausstrahlen können, ähnlich wie bei einem Bandscheibenvorfall. Bei ähnlichen Symptomen muss schnellstmöglich eine fundierte Diagnose eines Arztes her, um die korrekte Behandlung starten zu können.

Wie entsteht das Piriformis-Syndrom?

Das Piriformis-Syndrom kann durch verschiedene Faktoren verursacht werden:

  • Überlastung beim Sport und im Training:Zu häufiges, langes oder hartes Laufen, Rad fahren oder eine andere wiederholte Belastung oder anstrengende Bewegungen mit den Beinen können zu einer Überbeanspruchung des Piriformis-Muskels führen und somit Schmerzen verursachen.
  • Traumata:Auch ein Sturz oder eine direkte Verletzung des Gesäßbereichs kann den Muskel schädigen und zu Entzündungen führen.
  • Anatomische Anomalien:Bei einigen Menschen verläuft der Ischiasnerv durch den Piriformis-Muskel (Musculus Piriformis) statt darunter, was das Risiko einer Reizung erhöht.
  • Langes Sitzen:Lange Perioden des Sitzens, besonders auf harten Oberflächen, können den Muskel verspannen und den Ischiasnerv (Nervus Ischiadicus) komprimieren.
  • Portemonnaie:Ein häufiges Problem, das bei Männern zum Piriformis-Syndrom führt, ist das Portemonnaie (kein Witz!). Befindet es sich beim Sitzen in der Gesäßtasche, wird eine Gesäßhälfte komprimiert und mehr belastet als die andere. Es kommt durch diese Kompression zur Minderdurchblutung der Gesäßregion und des Gluteus Maximus (großer Gesäßmuskel). Die Unterversorgung des Gewebes führt dazu, dass Stoffwechselprozesse nicht mehr optimal verlaufen und im weiteren Verlauf Verspannungen auftreten können.
Grafik eines Beckenskeletts auf einem Ergon-Sattel mit Core 3D-Technologie, das die seitliche Hüftbewegung beim dynamischen Sitzen veranschaulicht.

Was sind die Auswirkungen des Piriformis-Syndroms?

Das Piriformis-Syndrom kann verschiedene Probleme bereiten:

  • Schmerzen im Gesäß: Die Schmerzen treten – natürlich – auf der Seite / Körperhälfte auf, auf der der Ischiasnerv negativ manipuliert wird. Der Schmerz kann nicht nur an einer Stelle auftreten, er kann vielmehr bis zum Oberschenkel und ins weitere Bein ausstrahlen.
  • Taubheitsgefühle und Kribbeln: Auch diese Symptome treten auf der geschädigten Seite auf. Sie können sich im Gesäß ausbreiten, aber auch entlang des Ischiasnervs, bis in die Extremität und sogar bis hin zum Fuß.
  • Besonders bei langem Sitzen oder beim Überkreuzen der Beine können Schmerzen auftreten.
  • Bewegungseinschränkungen: Bei Aktivitäten, die die Hüfte oder das Bein betreffen, können Schmerzen die Bewegung stark beeinflussen.
Ergonom hält ein Beckenskelett über einen Ergon-Sattel, um die ergonomische Passform zu demonstrieren

Wie lässt sich das Piriformis-Syndrom erkennen?

Bei starken Schmerzen oder auch nur dem Verdacht eines Piriformis-Syndroms solltest du einen Arzt oder eine Ärztin aufsuchen. Je eher das Problem behandelt wird, je schneller und besser kann für Abhilfe gesorgt werden. Vor der Diagnose eines Piriformis-Syndroms werden der Arzt oder die Ärztin zunächst ein ausführliches Gespräch mit dir führen. Sie erfragen unter anderem, seit wann die Schmerzen und Beschwerden in deinem Körper bestehen, wo sie lokalisiert sind, in welchen Situationen sie auftreten und ob die Beschwerden möglicherweise auf einen Unfall, einen Sturz oder eine Verletzung zurückzuführen sind. Im nächsten Schritt erfolgt eine körperliche Untersuchung. Der Arzt oder die Ärztin testet die Beweglichkeit deiner Hüften und sucht nach Anzeichen für Muskelverspannungen, Verkürzungen, Bewegungseinschränkungen oder Sensibilitätsstörungen. Eine Druckschmerzhaftigkeit des Piriformis-Muskels ist ein deutliches Zeichen für das Piriformis-Syndrom.

Welche Behandlungs­möglichkeiten und Therapien gibt es?

Die Behandlung des Piriformis-Syndroms umfasst eine Kombination aus konservativen und in schwereren Fällen invasiven Methoden. „Maßnahmen sind Lockern und Dehnen, wodurch man Asymmetrien und Dysbalancen ausgleichen kann“, sagt Dr. Kim Tofaute. Erst bei schweren Fällen, so Kim Tofaute, folgen ärztliche und physiotherapeutische Behandlung. Hier ein Maßnahmenkatalog:

Konservative Behandlungen

 

Physiotherapie:
Dehnungsübungen und Kräftigungsübungen zur Entspannung des Piriformis-Muskels und zur Linderung des Nervendrucks. (siehe unten)

Medikamentöse Therapie:
Schmerzmittel und entzündungshemmende Medikamente zur Linderung der Symptome.
Eis- und Wärmeanwendungen:
Abwechselndes Auflegen von Eis- und Wärmekompressen zur Reduktion von Entzündungen und Muskelverspannungen.

Massagetherapie:
Tiefengewebsmassagen können helfen, Muskelverspannungen zu lösen

Invasive, ärztliche Behandlung (bitte mit Vorsicht zu genießen)

 

Injektionen: Kortikosteroid-Injektionen oder Anästhetika zur direkten Linderung von Entzündungen und Schmerzen im betroffenen Bereich sind möglich.

Operation: In seltenen fällen, aber erst wenn konservative Behandlungen keine Besserung bringen, kann eine chirurgische Freilegung des Ischiasnervs erforderlich sein

Eine Frau sitzt auf einem Fahrrad während einer Satteldruckmessung. Im Vordergrund wertet Ergonom Kim Tofaute die erfassten Druckdaten am Laptop aus

Welche Schlafposition hilft bei Ischias-Schmerzen?

Wenn du am Piriformis-Syndrom leidest, solltest du öfter die Schlafposition wechseln, um Verspannungen zu vermeiden und die Durchblutung der Muskulatur in allen Bereichen anzuregen. Du kannst sowohl auf dem Rücken als auch auf der Seite schlafen. Allerdings solltest du bei starken Beschwerden in Seitenlage mit der schmerzenden Seite / Körperhälfte nach oben schlafen, was die Schmerzen lindern kann. Ein Kissen zwischen den Beinen sorgt darüber hinaus für Linderung der Beschwerden. Die Hüft- und Schulterregion sollte in die Matratze einsinken. Achte darauf, dass die Matratze nicht zu hart ist, um die Muskulatur nicht übermäßig zu komprimieren.

Wie kann ich vorbeugen?

Vorbeugen ist besser als heilen! Darum sollten Personen, die gefährdet sind (wie zum Beispiel Büroarbeiter, die für Stunden, Tage und Wochen am Schreibtisch sitzen), Probleme mit dem Piriformis-Syndrom zu bekommen alle Möglichkeiten nutzen, es gar nicht erst zu Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen kommen zu lassen. Hier die verschiedenen Maßnahmen, aktive und passive:

 

  • Regelmäßige Dehnübungen: Insbesondere für die Hüftmuskulatur, um Verspannungen vorzubeugen.
  • Kräftigungsübungen: Auch können bestimmte Muskelgruppen der Hüfte und des Gesäßes und de Gesäßregion mit Kräftigungsübungen gestärkt werden, um die vorderen und hinteren Muskelgruppen im Gleichgewicht zu halten.
  • Ergonomische Sitzmöbel: Speziell geformte Kissen oder Stühle können bei der Entlastung der Muskulatur im Bereich von Gesäß und Hüfte helfen.
  • Pausen: Wer vor dem Computer, an der Kasse oder während anderen Tätigkeiten lange und relativ unbeweglich sitzt, sollte in regelmäßigen Abständen aufstehen, sich dehnen und bewegen.

Übungen zur Behandlung und zur Prävention des Piriformis-Syndroms

Der Piriformis-Muskel ist ein Gesäßmuskel, der die gestreckte Hüfte nach außen dreht und stabilisiert. Bei Hüftbeugung verändert er seine Funktion und spreizt das Bein nach außen ab. Gezielte Übungen helfen, den verspannten Muskel zu dehnen und zu kräftigen, damit er belastbarer wird, ohne die unter ihm verlaufenden Nerven zu irritieren. Nimm dir ganz bewusst Zeit für die Dehnübungen und Übungen zur Kräftigung. Du solltest etwa zwei- bis dreimal pro Woche trainieren, um Effekte zu erzielen. Hier ein paar geeignete Übungen:

Dehnen des Piriformis-Muskels:

 

Ausgangsstellung: Leg dich auf den Rücken und beuge das zu dehnende Bein in Hüft- und Kniegelenk. Deine Hand umfasst das Knie seitlich.

Durchführung: Zieh das in Beugung befindliche Knie Richtung diagonaler Schulter, bis du die Dehnung seitlich in der Gesäßmuskulatur spürst.


Halte die Dehnung etwa 15 bis 30 Sekunden. Führe auf jeder Seite drei Wiederholungen durch.

Dehnen der Gesäßmuskulatur:

 

Ausgangsstellung: Rückenlage, die Beine gebeugt. Kreuze nun die rechte Ferse über das linke Knie. Beide Hände umfassen den linken Oberschenkel.

Durchführung: Ziehe den linken Oberschenkel leicht Richtung Brustkorb, bis im rechten Oberschenkel/Gesäß ein Dehnungsgefühl spürbar ist. Anschließend wechselst du die Seite.

Halte die Dehnung etwa 15 bis 30 Sekunden. Wiederhole die Übung auf jeder Seite dreimal.

Mobilisation und Kräftigung der Außenrotatoren:

 

Ausgangsstellung: Leg dich auf die Seite. Die Hüft- und Kniegelenke sind leicht gebeugt. Deine Beine liegen parallel übereinander.

Durchführung: Drehe das oben liegende Knie Richtung Decke. Die Füße halten dabei Kontakt. Das Becken bleibt stabil.

Halte die Dehnung etwa 15 bis 30 Sekunden. Wiederhole die Übung auf jeder Seite dreimal.

Entspannung der Gesäßmuskulatur:

 

Ausgangsstellung: Stand mit dem Rücken zur Wand.

Hilfsmittel: Platziere einen Tennisball eine halbe Handbreite unterhalb des Hosenbunds.

Durchführung: Massiere die schmerzhafte Körperregion durch leichte kreisende Bewegungen und Druck auf den Tennisball.

Mobilisation der Außenrotatoren mit Theraband:

 

Ausgangsstellung: Liege auf dem Bauch. Die Oberschenkel sind parallel. Wickel das Theraband um den Unterschenkel und befestige es an einem festen Gegenstand seitlich des Übungsbeines.

Durchführung: Das angewinkelte Bein zieht aktiv gegen den Widerstand des Therabandes nach innen. Der Oberschenkel hält den Kontakt zum Boden.

Wiederhole die Bewegung 15-mal und wechsle dann das Bein. Dies entspricht einem Satz. Führe 2 bis 3 Sätze durch mit jeweils circa 60 Sekunden Pause zwischen den Sätzen.

Kräftigung der Oberschenkel- und Gesäßmuskulatur:

 

Ausgangsstellung: Stehe vor einem Stuhl. Die Knie berühren die Sitzfläche.

Durchführung: Setz dich mit dem Gesäß nach hinten unten ab. Der Rücken bleibt gerade, die Knie halten den Kontakt zum Stuhl.

Wiederhole die Bewegung 15-mal und wechsle dann das Bein. Dies entspricht einem Satz. Führe 2 bis 3 Sätze durch mit jeweils circa 60 Sekunden Pause zwischen den Sätzen.

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