Die unterschiedlichen Trainingsbereiche im Rad- und Ausdauersport

Lerne die verschiedenen Trainingsbereiche im Radsport kennen und erstelle deinen optimalen Trainingsplan für bessere Leistung.
Trainingsbereiche im Radsport
Wollen Radsportler*innen ihre Leistungsfähigkeit und Ausdauer auf dem Rennrad, dem Mountainbike oder auch auf dem Gravelbike verbessern, ergibt es Sinn nach einem Plan zu trainieren. Grundlage dazu ist es, seine eigene Leistungsfähigkeit überhaupt zu kennen. Hierzu greifen Sportler*innen oftmals auf einfache Modelle zurück, die mit einfach messbaren Parametern wie Herzfrequenz und Leistung arbeiten.
In den letzten Jahren haben sich jedoch genaue Wattmesssysteme, die früher nur Profis zur Verfügung standen, zunehmend auch im Amateur- und Hobbysportbereich etabliert. Gleichzeitig bieten Dienstleister Leistungsdiagnostiken an, die mit Laktatstufentests und Spiroergometrien dabei helfen, die eigene Leistungsfähigkeit zu bestimmen und diese dann mittels eines individuellen Trainings und dessen präziser Steuerung zu verbessern. Um diesen Prozess steuern zu können, haben Profi-Radsportler*innen oft persönliche Trainer*innen, die ihre Trainingspläne individuell erstellen und anpassen. Natürlich können Athlet*innen im Radsporttraining nun blind ihrem Trainer folgen, es ist aber hilfreich, wenn sie ihren Trainingsplan verstehen, um ihn erfolgreich umzusetzen. Bei diesem Verständnis helfen die Trainingsbereiche.
In der Sportwissenschaft existieren verschiedene Modelle zur Einteilung von Trainingszonen. Im deutschsprachigen Raum hat sich für Ausdauersportarten, besonders im Radsport, ein Modell mit fünf Trainingsbereichen etabliert:
1. Kompensationsbereich (KB) |
2. Grundlagenausdauer 1 (GA1) |
3. Grundlagenausdauer 2 (GA2) |
4. Entwicklungsbereich (EB) |
5. Spitzenbereich (SG) |
Diese Trainingsbereiche werden häufig als Prozentsätze der maximalen Herzfrequenz oder durch Wattwerte angegeben. Da jede Person individuelle Leistungsgrenzen hat, ist es wichtig, die eigenen Trainingsbereiche genau zu kennen. Eine präzise Methode zur Bestimmung ist ein Laktatstufentest auf dem Fahrradergometer. Eine weitere Möglichkeit ist die Bestimmung der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max). Eine solche Spiroergometrie, ist aufgrund der recht hohen Kosten zumeist eher ambitionierten oder professionellen Athlet*innen vorbehalten, um die Laktatanalyse zu ergänzen.

Wozu dienen die Trainingsbereiche im Einzelnen?
Wie schon erwähnt, dienen die Trainingsbereiche im Radsport dazu, das Training gezielt zu steuern und die verschiedenen physiologischen Systeme des Körpers anzusprechen. Damit kann zum Beispiel die Pumpleistung des Herzens gemeint sein, die Verästelung der Blutgefäße, Anzahl und Effizienz von Energie erzeugenden Enzymen oder auch die Muskelkraft. Durch das Einteilen des Trainings in unterschiedliche Intensitätsbereiche können Sportler*innen gezielt an bestimmten Einzelaspekten ihrer Leistungsfähigkeit arbeiten. Die wichtigsten Ziele der Trainingsbereiche sind:
1. Verbesserung der Grundlagenausdauer
Die Grundlagenausdauer bildet das Fundament für die aerobe Leistungsfähigkeit, also die Fähigkeit, über längere Zeiträume hinweg eine moderate Belastung aufrechtzuerhalten. Durch Training im Grundlagenausdauerbereich (GA1 und GA2) werden vor allem die Effizienz des Fettstoffwechsels und die Kapazität des Herz-Kreislauf-Systems gesteigert. Dies ist für alle Ausdauersportler eine Basisfähigkeit, besonders wichtig aber für Radsportler*innen, die lange Distanzen zurücklegen und eine solide Grundlage für intensivere Belastungen schaffen wollen. Oder praktisch: Ein effizienter Fettstoffwechsel schont die Kohlenhydratreserven für entscheidende harte Phasen.
2. Steigerung der Belastungstoleranz
Durch intensivere Trainingsbereiche, wie den Entwicklungsbereich, wird die anaerobe Schwelle verschoben. Das bedeutet, dass der Körper bei höheren Intensitäten darauf eingestellt wird, weniger Laktat zu produzieren, beziehungsweise auch, mit einer gewissen Konzentration von Laktat im Blut besser umgehen zu können, wodurch die Ermüdungsresistenz steigt. Dies ist entscheidend für Radsportler*innen, die auf längeren Strecken konstant hohe Intensitäten im aerob-anaeroben Übergangsbereich halten müssen, wie etwa bei Zeitfahren oder im Gebirge.
3. Verbesserung der Spitzenleistung und VO2max
Der hochintensive Spitzenbereich trainiert neben der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max) vor allem die Schnelligkeit. Dies ist für kurze, sehr intensive Antritte wichtig, etwa bei Sprints oder schnellen Anstiegen, während derer für rund 20 Sekunden 100 Prozent Leistung abgerufen werden müssen, was mitunter, auch bei Hobbysportlern, gut und gern 1000 Watt sein können.
4. Optimierung der Regeneration
Der Kompensationsbereich dient der aktiven Erholung. Er ist zum Beispiel zwischen intensiven Einheiten wichtig oder aber auch dann, wenn Sportler sich nicht absolut fit fühlen. Leichte Fahrten in diesem Bereich fördern die Durchblutung der Muskulatur und beschleunigen den Abbau von Stoffwechselprodukten, die sich während intensiverer Einheiten angesammelt haben. Das Training in diesem Bereich reduziert Muskelkater und hilft dabei, den Körper auf die nächste intensive Einheit vorzubereiten. Durch die geringe Intensität werden Überlastungen und Verletzungen vermieden, während gleichzeitig die Erholung gefördert wird.
5. Strukturierte Trainingssteuerung
Trainingsbereiche vereinfachen das Planen und Steuern des Trainings. Sie ermöglichen es Athlet*innen und Trainer*innen, spezifische Ziele für jede Einheit festzulegen, in Zyklen an einzelnen Leistungskomponenten zu arbeiten und erleichtern es, deren Fortschritte zu messen und Anpassungen vorzunehmen. Die verschiedenen Zonen helfen Sportler*innen, ein besseres Verständnis für ihre individuelle Belastbarkeit zu entwickeln und die Intensität während des Trainings effektiver zu regulieren. Dies führt langfristig zu einer effizienteren Nutzung der Trainingszeit und einer optimalen Leistungssteigerung.
Zusammengefasst ermöglichen die Trainingsbereiche also eine individuelle, zielgerichtete Trainingsgestaltung, die die wichtigsten Komponenten der Leistungsfähigkeit im Radsport abdeckt. Sie sorgen dafür, dass Athlet*innen sowohl im Einzelnen wie global höhere Leistungen in kürzer Zeit und mit weniger Aufwand erreichen können. Auch ermöglichen sie gezieltes Arbeiten an Schwächen. Grundvoraussetzung für diese Leistungssteigerungen sind überdies auch die oben genannten regenerativen Trainingseinheiten im Kompensationsbereich.
Die einfache Methode, der FTP-Wert
Nicht alle Sportler*innen haben oder nutzen die Möglichkeit, eine professionelle Leistungsdiagnostik zu absolvieren. Vor diesem Hintergrund hat in letzter Zeit der FTP-Wert (Functional Threshold Power) an Beliebtheit gewonnen, da er relativ einfach zu bestimmen ist. Absolvieren kann man diesen Leistungstest leicht allein zuhause auf dem Rollentrainer. Radsport-Trainingsplattformen wie zum Beispiel Zwift bieten hierzu vorgefertigte Programme an. Der FTP beschreibt die Leistung, die Athlet*innen über eine Stunde halten könnte, häufig als CP60 (Critical Power 60) bezeichnet. In der Praxis wird der FTP-Wert jedoch meist über einen CP20-Test ermittelt, bei dem die Leistung nur über 20 Minuten gemessen und dann hochgerechnet wird. Dieser Test ist jedoch nur mit mehreren Vergleichswerten aus mehreren solcher Tests aussagekräftig, da individuelle Faktoren und Erfahrung eine große Rolle spielen. Merke: Je kürzer die Belastungsphase, von deren durchschnittlicher Tretleistung der FTP abgeleitet wird, desto weniger verlässlich ist der Wert. Außerdem ist der FTP-Wert, wie gesagt, nur ein rechnerischer Wert und bietet keinen Einblick in die physiologischen Vorgänge im Körper. Er kann als grober Richtwert dienen, sollte jedoch regelmäßig und unter identischen Bedingungen überprüft werden. Ein Laktatstufentest liefert hier deutlich verlässlichere Ergebnisse.

Hier eine Tabelle, welche die Trainingsbereiche übersichtlich darstellt
Die Einteilung der Trainingsbereiche basiert in der Sportwissenschaft auf den verschiedenen Arten der Energiebereitstellung bzw. deren Kombination. Je nach Intensität greift der Körper auf unterschiedliche Mechanismen zurück, wobei eine grundlegende Unterscheidung zwischen aerober (mit Sauerstoff) und anaerober (ohne Sauerstoff) Energiebereitstellung besteht.
Trainingsbereich* | Anpassung im Körper** |
Kompensationsbereich (KB),
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Grundlagenbereich 1 (GA1), Ausdauertraining
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Grundlagenbereich 2 (GA2), Tempotraining
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Entwicklungsbereich (EB),
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Spitzenbereich (SB),
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* die exakten Prozentwerte weichen je nach Quelle / Literatur minimal voneinander ab.
** die jeweiligen Effekte sind nicht hundertprozentig scharf gegeneinander abgegrenzt und kommen je nach Belastung unterschiedlich stark zur Geltung.

Die Trainingsbereiche beim Radfahren im Einzelnen
1. Kompensationsbereich (KB)
Der Kompensationsbereich dient der aktiven Erholung und wird mit sehr niedriger Intensität und zumeist hoher Trittfrequenz gefahren. Die Herzfrequenz liegt hierbei unter 60 Prozent der maximalen Herzfrequenz (HFmax), und die Belastung ist gering genug, um die Regeneration zu fördern, aber gleichzeitig die Durchblutung der Muskulatur anzuregen. KB-Einheiten helfen, sich von intensiveren Einheiten zu erholen und sorgen für eine bessere Anpassung des Körpers an das Training.
2. Grundlagenausdauer 1 (GA1)
Im GA1-Bereich wird mit etwa 60–70 Prozent der maximalen Herzfrequenz (HFmax), trainiert, was eine moderate Belastung darstellt. Dieser Bereich ist das Fundament für die Ausdauerfähigkeit und wird genutzt, um die aerobe Kapazität zu verbessern und den Fettstoffwechsel zu fördern. Lange Fahrten im GA1 sind besonders wichtig für die Vorbereitung auf längere Rennen oder Ausdauerevents, da Fette ein schwer erschöpflicher Energielieferant des Körpers sind, während alle anderen Quellen sehr begrenzt gespeichert vorliegen.
3. Grundlagenausdauer 2 (GA2)
Im GA2-Bereich liegt die Intensität etwas höher, etwa bei 70–80 Prozent der maximalen Herzfrequenz (HFmax). Das Training in diesem Bereich steigert die aerobe Leistung und verschiebt die Schwelle, ab der der Körper vermehrt auf anaerobe Energiegewinnung angewiesen ist. GA2-Training wird oft für Einheiten verwendet, die etwas intensiver sind als das reine Grundlagentraining und bei denen der Körper auf mittlere Belastungen, mit einem Energiemix aus Fetten und Kohlenhydraten vorbereitet wird. Dieses Leeren der Kohlenhydratspeicher hat außerdem zur Folge, dass deren Kapazität erweitert wird. Das lässt einen ein später hohes Tempo länger aufrecht erhalten.
4. Entwicklungsbereich (EB)
Nun befinden wir uns im Übergangsbereich zwischen der aeroben und anaeroben Energiebereitstellung. Die Belastung wird intensiver, die Trainingszeit kürzer. Anaerober Stoffwechsel bedeutet, dass neben einer Sauerstoffschuld fast ausschließlich Kohlenhydrate verbraucht werden. Laktatproduktion und -abbau stehen nicht mehr im Gleichgewicht, es wird mehr Laktat produziert als abgebaut werden kann, der Laktatspiegel im Blut steigt. Training im Entwicklungsbereich führt zu einem höheren Schlagvolumen und einer verbesserten Muskeldurchblutung, die Muskulatur wird effizienter und bis zu einer höheren Belastung mit Blut und Sauerstoff versorgt. Langfristig steigt der VO2max-Wert, also die maximale Sauerstoffaufnahme. Typischerweise wird in diesem Bereich bei 80–95 % der maximalen Herzfrequenz trainiert. Diese Trainingseinheiten sind kürzer, aber fordernd und gezielt auf eine Verbesserung der Belastungsfähigkeit ausgerichtet. Als Trainingsmittel nutz man die Wiederholungs -oder Intevallmethode, baut also mehrere Zyklen im EB-Bereich in ein GA1-Training ein.
5. Spitzenbereich (SB)
Der Spitzenbereich ist der höchste Intensitätsbereich und entspricht etwa 95 und mehr Prozent der HFmax. Hier wird der Körper für sehr kurze Intervalle bis an seine Leistungsgrenze gebracht. Der Körper schafft sich dadurch einen größeren Säurepuffer, die Stoffwechselvorgänge laufen so selbst bei Laktatkonzentrationen weiter, bei denen ein Untrainierter längst hätte abbrechen müssen. Somit werden maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) und Schnellkraft verbessert. Diese Einheiten bestehen aus kurzen, hochintensiven Intervallen, die von längeren Erholungsphasen gefolgt werden. Der Spitzenbereich wird häufig in der Vorbereitung auf Wettkämpfe eingesetzt, um die anaerobe Kapazität und Explosivität zu trainieren. Laut allerneuester Erkenntnisse hat eine schnelle Abfolge solcher submaximaler Intervalle mit kurzen Pausen positive Einflüsse auf die Langzeitausdauer. Man spricht dabei von „HIIT“ oder High Intense Interval Training.
Fazit
Die oben genannten fünf Trainingsbereiche erlauben es, ein strukturiertes und gezieltes Training sowie einen langfristigen Formaufbau zu gestalten, was sowohl für Anfänger als auch für erfahrene Radsportler von Vorteil ist. Ein gut strukturierter Trainingsplan sollte alle diese Bereiche in einem ausgewogenen Verhältnis umfassen. Dabei lösen die harten Einheiten sukzessive die langen und unterschwelligen ab, um den Körper optimal auf die spezifische Belastung des Radsports beziehungsweise eines konkreten sportlichen Ziels im Radsport vorzubereiten.