Ist Bikefitting nur für Profi-Radsportler*innen geeignet?

Mann stellt das Indoor Cycling Rad ergonomisch ein.

Erfahre, warum ein Bike Fitting nicht nur Profis vorbehalten ist und wie Du Deinen Fahrkomfort und Deine Leistung verbessern kannst.

Bikefitting ist doch nur was für Profis. Oder?

Fahrradfahren ist grundsätzlich eines der vielseitigsten Fortbewegungsmittel, das von Menschen aller Altersgruppen und Fitnessniveaus genutzt wird. Dabei spielt es keine Rolle, ob man das Rad zum Pendeln, für lange Touren oder sportliche Aktivitäten nutzt. Oft wird jedoch übersehen, wie wichtig die richtige Sitzposition auf dem Rad ist, um Verletzungen zu vermeiden, die Leistung zu steigern und den Komfort zu maximieren. Hier kommt das Bikefitting ins Spiel, eine spezielle Anpassung des Fahrrads an die individuellen Körpermaße und Bedürfnisse des Fahrers. Allerdings kennen die meisten Bikefitting nur vom Profi-Radsport, vom leistungsorientierten Amateur-Radsport oder auch vom Triathlon. Aber ist Bikefitting tatsächlich nur für Leistungssportler*innen geeignet? So viel schon vorab: Dr. Kim Tofaute, Diplom-Sportwissenschaftler und Ergonomie-Experte bei Ergon sagt: „Ein Fitting ist für jeden Radfahrer interessant, der besser auf dem Rad sitzen möchte. Das ist umso interessanter, je mehr das Rad genutzt wird und je länger die Strecken sind.“ In diesem Artikel gehen wir detailliert darauf ein, was Bikefitting ist, welche Methoden es gibt, welche Probleme es löst und welche Vorteile es bietet – und klären eben auch, ob es nur für Profisportler*innen oder auch für Amateure und Freizeitfahrer*innen geeignet ist.

Dr. Kim Tofaute misst die Sattelhöhe mit Ergon Fitting Box Maßband

Was ist Bikefitting?

Bikefitting beschreibt den Prozess der Anpassung eines Fahrrads an die Gegebenheiten und Anforderungen des Fahrers. Ziel ist es, eine optimale Balance zwischen Komfort, Effizienz und Leistung zu finden. Dabei wird unter anderem die Höhe des Sattels, die Lenkerposition und der Abstand der Pedale zum Fahrer samt Breite der Pedalachse eingestellt. Ein guter Bikefitter nimmt dabei nicht nur einfache Einstellungen vor, sondern bezieht auch individuelle Körpermerkmale wie besondere Körperproportionen, Hüftflexibilität und sogar Asymmetrien in den Körperproportionen mit ein. „Ursprünglich wurde Bikefitting nur bei Profis angewendet“, sagt Dr. Kim Tofaute. Ein großer Faktor, so Tofaute, sei dabei immer die Aerodynamik gewesen. „Mit einer flacheren Oberkörperposition kann die Stirnfläche gesenkt werden. So weit, so einfach. Allerdings ist es in der Realität nicht so einfach, denn mit einer sehr tiefen Position nimmt die biomechanische Effizienz ab, der Athlet ist also langsamer. Die Erarbeitung einer individuell optimalen Position ist also das Ziel eines Bikefittings.“

Die Methoden des Bikefittings

Es gibt verschiedene Ansätze und Methoden, um die optimale Einstellung eines Fahrrades zu finden. Je nach Anbieter und Komplexität der Analyse können unterschiedliche Techniken zur Anwendung kommen:

1. Statische Messungen oder statische Analysen

Dies ist die grundlegendste Methode. Dabei misst der erfahrene Bikefitter, zumeist ein diplomierter Sportwissenschaftler oder aber auch ein langjährig erfahrener Betreuer und Trainer von Sportler*innen, wichtige Körperproportionen des Fahrers, wie Beinlänge, Armlänge, Hüftwinkel und Schulterbreite, und passt das Fahrrad entsprechend dieser Messungen an. Dies erfolgt oft mithilfe einfacher Werkzeuge wie Maßbändern und Winkelmessern.

2. 2D-Videoanalyse

Hierbei wird der Fahrer auf dem Fahrrad sitzend von der Seite und manchmal auch von vorne gefilmt. Die Videoaufnahmen werden analysiert, um die Position von Knie, Hüfte und Fuß in Relation zu den Pedalen und dem Sattel zu bewerten. Auf Basis dieser visuellen Daten und Messungen werden dann Anpassungen vorgenommen.

3. 3D-Motion-Capture-Technologie

Dies ist die fortschrittlichste Methode des Bikefittings. Der Fahrer wird mit Markern ausgestattet, die von Kameras erfasst werden, um eine dreidimensionale Analyse der Körperbewegungen während des Fahrens zu erstellen. Dies ermöglicht eine sehr präzise Anpassung, beziehungsweise Einstellung des Fahrrads, die selbst kleine Fehlstellungen erkennt und korrigiert.

4. Drucksensoren

Manche Bikefitting-Systeme verwenden Drucksensoren im Sattel oder in den Schuhen, um die Druckverteilung während des Tretens zu messen. So können beispielsweise Sitzprobleme oder Fußfehlstellungen besser erkannt und korrigiert werden.

Eine Frau sitzt auf einem Fahrrad während einer Satteldruckmessung. Im Vordergrund wertet Ergonom Kim Tofaute die erfassten Druckdaten am Laptop aus

Warum sollte ich zum Bikefitting gehen?

Viele Radfahrer*innen gehen davon aus, dass ein Fahrrad, sobald es in der richtigen Rahmengröße gekauft wurde, bereits optimal passt. Dies ist jedoch nur sehr selten der Fall. Es gibt viele Variablen, die den Komfort und die Effizienz beim Radfahren beeinflussen. Ein ergonomisch falsch eingestelltes Fahrrad kann zu einer Vielzahl von Problemen führen, wie zum Beispiel:

Rückenschmerzen: Eine zu niedrige oder zu hohe Sattelhöhe oder die falsche Lenkerposition kann Rückenmuskulatur unnötig belasten.

Knieschmerzen: Ein falsch eingestellter Abstand zwischen Fahrradsattel und Pedalen kann zu Überlastungen der Kniegelenke führen.

Taubheitsgefühle und/oder Schmerzen in der Hand: Falsch eingestellte Lenker oder Fahrradgriffe, oder auch das falsche Verhältnis von Sattel zu Lenker, können zu einer Überbelastung der Handgelenke führen, was wiederum Taubheitsgefühle und Schmerzen in den Händen verursachen kann.

Sitzprobleme: Durch die relativ kleine Sitzfläche eines Sattels ist der Druck auf die Nerven und Blutgefäße im Damm- und Genitalbereich sehr stark. Dieser erhöht sich umso mehr, wenn das Bike nicht so ergonomisch eingestellt ist, sodass sich der Druck nicht optimal durch die Sitzbeine in den Sattel ableiten lässt. Auch können durch die falsche Positionierung des Gesäßes auf dem Sattel (sei es durch die falsche Höhe des Sattels oder weil er zu weit vorn oder zu weit hinten montiert ist) Reibungen zwischen Sattel und Oberschenkel entstehen, die zu unangenehmen Hautirritationen führen.

Ein professionelles Bikefitting sorgt in den meisten Fällen dafür, dass all diese Probleme vermieden oder behoben werden, indem das Fahrrad individuell an den Körper angepasst wird.

Im Umkehrschluss, welche Probleme kann ein Bikefitting lösen?

Ein gut durchgeführtes Fitting kann viele gängige Probleme von Radfahrer*innen beseitigen, die durch schlechte Sitzpositionen entstehen:

  • Leistungseinbußen: Falsche Sitzpositionen führen oft dazu, dass die Muskelketten nicht optimal arbeiten können. Durch ein Bikefitting können solche Probleme behoben werden, wodurch der Fahrer effizienter tritt, und seine Leistung steigert.
  • Verletzungen: Falsch eingestellte Fahrräder sind häufig die Ursache für Überlastungsverletzungen, insbesondere im Knie- und Rückenbereich. Mit einem Bikefitting lassen sich diese Fehlbelastungen minimieren.
  • Unwohlsein bei längeren Fahrten: Bei langen Touren ist Komfort entscheidend. Ein schlecht eingestelltes Fahrrad kann zu Schmerzen in den Händen, im Nacken und im Rücken führen. Durch die Optimierung der Sitzposition wird der Satteldruck besser verteilt und der Komfort erheblich gesteigert.
Kim Tofaute, Ergonom bei Ergon, führt eine ergonomische Analyse durch und überprüft den Hüftwinkel eines Radfahrers während einer Sitzpositionsanpassung.

Daraus ergeben sich die folgenden Vorteile eines Bikefittings

Der offensichtlichste Vorteil eines Fittings ist der gesteigerte Komfort. Ein gut angepasstes Fahrrad ermöglicht es dem Fahrer, längere Strecken schmerzfrei und ohne übermäßige Ermüdung zurückzulegen. Weitere Vorteile sind:

Verletzungsprophylaxe: Durch die optimale Ausrichtung von Körper und Fahrrad werden schädliche Belastungen reduziert.

Effizienz: Ein Bikefitting sorgt dafür, dass die Muskelkraft effizienter auf das Fahrrad übertragen wird, was zu einer besseren Leistung führt.

Langfristige Gesundheit: Wer über viele Jahre auf einem nicht optimal angepassten Fahrrad sitzt, riskiert langfristige Haltungsschäden und chronische Schmerzen. Ein Bikefitting beugt solchen Problemen vor.

Wann ist ein Bikefitting sinnvoll?

Natürlich kann man sein Fahrrad nachträglich durch ein Bikefitting optimieren. Tatsächlich ist es aber auch sinnvoll, schon vor einem Fahrradkauf ein Fitting durchzuführen. So bieten mittlerweile auch einige Händler Bikefittings an, manchmal sogar als Zusatzservice. Anschließend ergeben sich sehr gute Anhaltspunkte bezüglich Rahmengröße, Geometrie und anderen Aspekten wie Sattelhöhe und Lenkerposition, nach denen sich Interessierte für ein Fahrrad entscheiden können. Letztlich entscheiden sollten sich Fahrradfahrer*innen natürlich erst, wenn sie eine ausgiebige Probefahrt mit dem Bike ihres Interesses durchgeführt haben.

Dr. Kim Tofaute misst die Sattelhöhe mit Ergon Fitting Box Maßband

Was sollte ich zu einem Bikefitting mitbringen?

In der Regel wird ein erfahrener Bikefitter seinen Kund*innen mitteilen, was sie zum vereinbarten Termin mitbringen sollen. So raten manche Bikefitter dazu, das eigene Rennrad, Mountainbike oder ein Fahrrad anderer Art mitzubringen. Andere wiederum arbeiten mit einem Bikefitting-Scanner, einem Gestell, welches ein Fahrrad imitiert, und bei dem sich alle Maße, wie zum Beispiel der Abstand von Sattel zu Lenker, die Vorbauhöhe, der Nachsitz und andere Einstellungen, im Handumdrehen verändern lassen. Die später festgestellten Maße und Messungen werden dann auf das Bike zuhause übertragen. In jedem Fall sollten Fahrradfahrer*innen ihre eigenen Schuhe (inklusive Schuhplatten), ihren eigenen Sattel, ihre Radhose oder bequeme Sportbekleidung mitbringen.

Bikefitting nur für Profisportler*innen geeignet!?!

„Das ist falsch!“, sagt Dr. Kim Tofaute. Mit Bikefitting könne jeder Radfahrer besser fahren. Natürlich sei die Leistungssteigerung bei Profis im Fokus. Aber ein weiterer Aspekt sei die Reduzierung von Ermüdung und die Verletzungsprophylaxe. „All die genannten Aspekte sind auch für Hobbyfahrer interessant“, sagt Tofaute. Ein Bikefitting ist somit für alle Radfahrer*innen geeignet, unabhängig von ihrem Leistungsniveau. Tatsächlich profitieren gerade Freizeitfahrer*innen und Amateure oft besonders von einer optimalen Anpassung, da sie häufiger unter Beschwerden leiden, die durch falsche Sitzpositionen verursacht werden. E-Bike-Fahrer*innen haben zwar weniger Belastung auf den Beinen, jedoch meist mehr Gewicht auf Sattel und Händen, daher profitieren sie auch besonders vom Bikefitting. Insbesondere bei längeren Touren ist hier der Komfort entscheidend, und ein gut eingestelltes Pedelec kann den Unterschied zwischen einer angenehmen Tour und einer nicht schönen, schmerzhaften Erfahrung ausmachen.

Sollte ich ein Bikefitting kurz vor einem Wettkampf durchführen?

Wir würden eher davon abraten. Oftmals verändern sich nach einem Bikefitting die Kontaktpunkte im Verhältnis zueinander. Daraus folgen andere Winkeln in den Gelenken und andere Belastungen für Muskeln und Muskelketten. Hierdurch ist es möglich, dass der Sportler eben nicht seine gewohnte Leistung abrufen kann und sich gegebenenfalls sogar Verletzungen zuzieht. Unser Rat: Ein Fitting sollte so terminiert werden, dass der Körper ausreichend Zeit bekommt, die veränderten Maße zu adaptieren. Oftmals ist es auch sinnvoll, zum Beispiel einen Sattel nicht gleich um zwei Zentimeter anzuheben, falls ein Bikefitting dies empfiehlt, sondern sich diesem Zielwert über einen Zeitraum von mehreren Tagen und Wochen anzunähern.

Lässt sich das Bikefitting auf andere Räder übertragen?

Generell lassen sich die Werte und Messungen in etwa auch auf andere Räder übertragen. Nur ist dies mitunter gar nicht gewollt. So ist zum Beispiel beim Rennrad die Aerodynamik ein wichtiger Punkt, den der Bikefitter beachten muss und beachten wird. Auch Triathlet*innen werden sehr viel Augenmerk auf die Aeroposition legen. Aerodynamik und Leistungs-Output stehen also weit im Vordergrund, wobei dennoch darauf geachtet werden muss, dass die Ergonomie nicht vernachlässigt wird, und zum Beispiel im Nacken keine Schmerzen auftreten. Auf dem Mountainbike wiederum stehen Dinge wie Handling und somit Fahrsicherheit mit im Vordergrund. Aerodynamik ist hier eher zu vernachlässigen. Kurz gesagt: Je mehr man aus seinem jeweiligen Fahrrad im Zusammenspiel mit dem eigenen Körper herausholen möchte, je eher sollte man genau das Bike abstimmen lassen, um welches es geht.

Inhalte der Bike Fitting Box Touring, Wasserwaage, Maßband und Schablonen.

Fazit

Egal ob Profi, Hobbyfahrer*in oder E-Bike-Nutzer*in – ein Bikefitting ist für alle geeignet, die ihr Fahrerlebnis verbessern möchten. Es sorgt für mehr Komfort, reduziert das Verletzungsrisiko und steigert die Effizienz auf dem Rad. Wer ernsthaft und langfristig Freude am Radfahren haben möchte, sollte über ein professionelles Bikefitting nachdenken. Und auch wenn ein Bikefitting bei einem professionellen Institut gute 250 Euro kostet, lohnt sich die Investition, wenn man bedenkt, wie viel Freude am Fahrradfahren man im Gegenzug dadurch bekommt, wie sehr man seine Leistung steigern kann und – fast am wichtigsten – wie effizient man Verletzungen vermeiden kann. Wer indes die Investition in ein professionelles Bikefitting scheut, dem empfehlen wir die Ergon Bikefitting Box. Entwickelt von Dr. Kim Tofaute, werden Interessent*innen hiermit Schritt für Schritt durch den Bikefitting-Prozess geleitet.

Du willst mehr wissen?

Werde Teil der Ergon Community und melde dich zu unserem Newsletter an.

Alle Infos zum Newsletter