Die schönsten Anstiege und Pässe mit dem Rennrad – die musst du fahren! Hier findest Du eine Aufstellung der schönsten, bekanntesten und berüchtigtsten Pässe in Europa!

Europas schönste Anstiege und Pässe mit dem Rennrad – diese Berge musst du einfach fahren!

Berge sind das Salz in der Suppe des Radfahrens. Selbst Rennradfahrer, die nicht für Steigungen gebaut oder darauf trainiert sind, lieben Höhenmeter und Anstiege. Serpentinen, ein Pass, ein Gipfel, ein Hochplateau: Berge faszinieren und geben einem mit jedem überwundenen Anstieg das Gefühl, eine Aufgabe erledigt zu haben. Ultratriathlet Jonas Deichmann sagte dazu einmal, das Leben sei zu kurz, um flach zu fahren. Steigungen machen Touren interessanter, Trainings kurzweiliger und Rennen spannender. Von der Soloausfahrt in Hamburg, über den Social Ride im Schwarzwald bis zum Profiradrennen in den Alpen, Höhenmeter reizen jeden Radfahrer, ganz gleich ob Rennrad oder Mountainbike, ob kleiner Hausberg oder epischer Pass.

Warum sind Höhenmeter so anders als flache Strecken?

Einem Berg oder Pass kommt entlang einer Radstrecke immer eine besondere Bedeutung zu. Warum eigentlich? Eine Steigung reduziert das Radfahren auf das Wesentliche. An einem Anstieg spielen Wind, Windschatten, Taktik, Equipment oder Teams nur noch eine untergeordnete Rolle. Am Berg zählt letztendlich nur noch das Verhältnis aus Gewicht und Tretleistung – je höher und steiler, desto mehr trifft diese These ins Schwarze.  

Die Rennradlegende, der fünffache Tour de France-Champion Eddy Merckx (1969, 1970, 1971, 1972, 1974) sagte dazu: „Der Berg kennt kein Erbarmen!“ Was er damit meinte? Dass man auf der Ebene zum Beispiel immer ein wenig langsamer fahren kann, wenn einem die Kraft ausgeht. Ebenso kann man sich als Rennfahrer im Windschatten der Konkurrenten verstecken. Berge oder Pässe sind da anders. Hier gibt es eher die Option des Scheiterns. Man muss der Straße bergan eine gewisse Power entgegenzusetzen haben, oder man kommt eben nicht hoch. Dieses Potenzial des Misserfolgs macht dafür das Erfolgserlebnis umso größer, wenn man den Kulminationspunkt erreicht. Man hat im wahrsten Sinne ein Hindernis überwunden, das zudem zählbar ist. Wie viele Höhenmeter man erklommen und welche Steigungsprozente man dabei gemeistert hat, kann man entweder am Display seines Radcomputers ablesen, oder man lässt sich bergab von seiner eigenen Leistung beeindrucken, wenn die Hangabtriebskräfte, die man beim Aufstieg noch bekämpft hat, einen nun vehement Richtung Tal ziehen.

Blick auf einen Berg neben der Rennstrecke

© Timo Dillenberger

Schaffe ich solche Anstiege auch als Anfänger?

Erfahrene Radsportler wissen ziemlich genau, wie sie sich einen Anstieg oder eine ganze Etappe im Gebirge einteilen müssen. Wer noch nie einen Pass oder Berggipfel überquert hat, sollte zunächst möglichst genau wissen, welches Profil auf ihn oder sie wartet. Dabei sind neben dem eigenen Fitnessgrad vier Werte wichtig:

  • Wie lange ist die Steigung insgesamt? 
  • Wie viele Höhenmeter (hm) gilt es insgesamt zu überwinden? 
  • Wie hoch sind Berg und Pass gelegen? Das lässt erahnen, wie dünn die Luft ist.  
  • Wie viel Prozent beträgt die Steigung an den steilsten Passagen? 

Letzterer Wert ist so etwas wie der Schafrichter. Der Aussage von Eddy Merckx folgend kann man an flacheren Passagen mit einer entsprechend kleinen Übersetzung am Rad einfach langsam fahren. Steile Abschnitte erfordern jedoch selbst im kleinsten Gang und bei gerade noch steuerbarer Geschwindigkeit eine gewisse Minimum-Tretleistung. Unerfahrene Radler*innen sollten deshalb anfangs nach Anstiegen suchen, deren Aufstieg keine Rampen enthält, also kurzfristig sehr steile Meter oder gar Kilometer. Die Definition von steil hängt natürlich stark von der Physis der Sportler*innen und dem benutzten Material ab. Als Richtwert sollten Einsteiger grundsätzlich zweistellige Prozentangaben meiden.  

Bis sechs Prozent Steigung und kurzfristig zehn oder zwölf können die meisten Rennradler*innen bewältigen, dauerhaft über zehn Prozent und Rampen über vierzehn sind nur noch sehr kraftintensiv zu schaffen, und ab etwa fünfzehn Prozent bergan sind selbst kurze Passagen von zweihundert oder gar hundert Metern nur von trainierten und gesunden Sportlern zu bezwingen. Achtung: Das betrifft nicht den gesamten Berg oder Anstieg, der Durchschnittswert kann bei sechs Prozent liegen, weil sich steile und flache Abschnitte rechnerisch ausgleichen. Die allermeisten Onlineplattformen und Touristenkarten geben die Steigungen für jeden Kilometer separat an, teils auch die absoluten Maximalwerte. Oft stehen, zumindest in radtouristisch erschlossenen Regionen, auch Schilder an der Strecke, die den kommenden Kilometer mit seinen Durchschnittswerten ausweisen.

Mysterium Berg – der Beweis für psychische und physische Härte

Nicht nur im Umfeld von Tour de France und Co. spielen Berge und Pässe eine elementare Rolle. Selbst Hobbyfahrer*innen sind mit Stolz erfüllt, wenn sie einen solchen Anstieg bezwungen haben. Auch im Gespräch mit Gleichgesinnten erntet man für die Fahrt auf eine Passhöhe in den Alpen mehr Anerkennung als für besonders lange, flache Strecken. Noch intensiver wird dieser Ritterschlag, wenn der überwundene Aufstieg zu den monumentalen Strecken gehört, die man aus den großen Rundfahrten der Radprofis, von bekannten Duellen ehemaliger Radstars oder aus berühmten Jedermannveranstaltungen wie der Transalp kennt. Bergankünfte im französischen Alpe d‘Huez sind sogar denjenigen ein Begriff, die mit Tour de France und Radsport nichts zu tun haben. Die Passstraßen über den Col du Galibier, den Col du Tourmalet, den Mont Ventoux, das Stilfserjoch oder gar eine komplette Alpenüberquerung sind sogar unter ambitionierten Radfahrer*innen ein Beleg für Durchhaltevermögen und Fitness.  

Zudem sind sie in den allermeisten Fällen auch landschaftlich herausragend. Und bei der eher geringen Geschwindigkeit kann man Natur und Ausblick nochmals besser in sich aufnehmen als bei rauschender Fahrt. Berge sind also sportliche Höchstleistung und Genuss in einem.

Blick auf den Roselent

© Timo Dillenberger

Wie fahre ich am besten einen Berg oder Pass hoch?

Wer bei einer Tour mit dem Rennrad die erste große Steigung einbaut, sollte vorher zumindest eine grobe Vorstellung davon haben, wie man solch einen Anstieg angeht. Da man durchschnittlich über eine Stunde an solch einem Berg unterwegs ist, lautet die Hauptregel: Nicht in den laktaziden, sprich roten Bereich gehen, wenn es nicht nötig ist. Wer also heftig nach Luft ringen muss, ist für solch eine lange und harte Anstrengung schon etwas zu forsch unterwegs. Solche Belastungen, bei denen man weniger Sauerstoff aufnehmen kann als benötigt würde, sollte man sich für Steilstücke aufheben oder ganz vermeiden. Selbsttest: Wer drei volle Atemzüge hintereinander nur durch die Nase aufnehmen kann, ohne ein Gefühl von Luftmangel zu bekommen, ist noch im orangen Bereich. Hier ein paar weitere Tipps zum erfolgreichen Bezwingen eines Passes: 

  • Grundsätzlich defensiv angehen und nicht der Versuchung verfallen, Bilder aus Profirennen zu imitieren oder sich gleich mit anderen Radfahrer*innen zu duellieren. Das passiert beides sehr regelmäßig auch Menschen, die sonst gar nicht so kompetitiv sind.  
  • Nicht erst im Berg schalten: Sollte das Gelände steiler oder flacher werden, merke dir von weitem den Knickpunkt und schalte kurz vorher in einen passenden Gang. 
  • Fahre Serpentinen und Kurven so weit außen, wie der Verkehr es zulässt, der Weg ist hier etwas länger, dafür weniger steil. 
  • Versuche sowohl die Trittfrequenz als auch den Druck auf das Pedal durch Schalten (und eventuelle Motorunterstützung) und den körperlichen Einsatz möglichst konstant zu halten. Die Frequenz sollte nicht deutlich unter sechzig Umdrehungen pro Minute fallen. Das entspricht einer Kurbeldrehung pro Sekunde. 
  • Buchstäblich und sprichwörtlich nicht direkt den Gipfel im Blick haben, sondern Zwischenziele setzen. 
  • Trotz Belastung das Trinken nicht vergessen. Im Hochgebirge hilft es sehr, parallel etwas Süßes oder sogar Energiegels zu sich zu nehmen. Wenn die Flaschen nicht reichen, hilft ein ergonomischer (Trink-) Rucksack.  
  • Pedelec-Fahrer*innen sollten die Motorunterstützung an die Steigung anpassen. Je steiler, desto mehr sollte der Motor helfen. Wenn es flacher wird, die Unterstützung reduzieren. So hält der Akku bis zum Gipfel.  
  • Die Höhe nicht unterschätzen: Ab 1.800 Metern, spätestens ab 2.000 Metern über Meereshöhe nimmt der Partialdruck des Luftsauerstoffs so stark ab, dass die empfundene Anstrengung deutlich größer als die zugehörige Tretleistung wird. Wer in solche Regionen vorstößt, sollte im Kopf darauf vorbereitet sein und Energie sparen.

TUNING-TIPP:  

Die körperliche Belastung einer Passfahrt reicht völlig, da sollten Hände, Rücken, Gesäß, Nacken und Knie nicht zusätzlich Probleme machen.  
Neben etwas Training helfen hier die perfekte Einstellung des Rades und ergonomische Kontaktpunkte wie Lenkerband und Fahrradsattel. Mehr Power und dazu Komfort versprechen den Fuß begradigende Einlagen.

Legendäre Anstiege, die du mit dem Rennrad fahren musst!

Um alle europäischen Pässe mit großem Namen unter die Räder zu nehmen, bräuchte man sicher Jahre und wäre immer noch nicht durch damit. Für alle Nichtprofis und diejenigen, die nicht das Glück haben, im Umfeld der Alpen, Vogesen oder Pyrenäen zu leben, haben wir hier eine Auswahl der legendärsten Passstraßen und Anstiege zusammengestellt, zu denen sich eine Reise lohnt. In vier Kategorien haben wir die jeweils fünf attraktivsten, anspruchsvollsten, harmonischsten oder berühmtesten Passagen herausgepickt. Natürlich ist viel davon subjektiv und bei der Auswahl fiel es uns mitunter sehr schwer, den sechsten, siebten oder achten Platz nicht herauszustellen. Basis der Auswahl waren neben persönlichen Erfahrungen die Stimmen aus Foren, die zum Berg gehörigen harten Fakten und Videosequenzen aus berühmten Radrennen und Etappen der vergangenen Jahre.

Die 20 schönsten, schwersten und berühmtesten Anstiege und Pässe Europas auf einen Blick

Anstieg Region Länge Hm avg.  max.  
Alpe de Huez Dauphiné Alpen FRA 13,4 km 1.132 m 8,4 % 16,9 % 
Belchen Schwarz-wald GER 11,1 km 815 m 7,3 % 21,8 % 
Cime de la Bonette Provance FRA 24,1 km 1.589 m 6,7 % 14,1 % 
Col de la Madleine Isère Tal FRA 27,5 km 1.582 m 5,8 % 12,8 % 
Col de la Croix de Fer Maurienne Tal FRA 32,3 km 1.557 m 4,8 % 16 % 
Col du Galibier Maurienne Tal FRA 17,6 km 1.220 m 6,9 % 13 % 
Col du Tourmalet Pyrenäen FRA  18,8 km 1.415 m 7,5 % 15,6 % 
Colle dei Morti Piemont ITA 24 km 1.701 m 7,1 % 12,6 % 
Cormet de Roselend Savoyer Alpen FRA  19,5 km 1.224 m 6,3 % 13,5 % 
Grand Colombier Rhône Alpen FRA  18,3 km 1.250 m 6,8 % 17 % 
Grand Ballon Vogesen FRA 18,7 km 1.084 m 5,8 % 12,1 % 
Großer Speikkogel Kärnten AUT 15,4 km 1.668 m 10,8 26,9 % 
Imbros Pass Kreta GRE 18,8 km 788 m 4,2 % 10,7 % 
Monte Zoncolan Friaul ITA 8,9 km 1.190 m 13,4 % 23 % 
Mont Ventoux Provance FRA 21,2 km 1.588 m 7,5 % 14,9 % 
Narices del Teide Teneriffa SPA 45,8 km 2.175 m 4,7 % 10,5 % 
Passo di Gavia Lombardei ITA 26 km 1.401 m 5,4 % 15,5 % 
Sa Calobra / Coll dels Reis Mallorca SPA 10,1 km 710 m 7,0 12,2 % 
Sella Joch / Ronda  Dolomiten ITA 36,5 km 1,721 m 4,7 % 10,8 % 
Stilfser Joch Südtirol ITA 24,6 km 1.844 m 7,5 % 18,6 % 

 

Länge: Strecke von Startort bis Passhöhe | Hm: gesamte auf dieser Strecke zu überwindenden Höhenmeter aufwärts, nicht der reine Höhenunterschied | avg.: durchschnittliche Steigung zwischen Startort und Pass in Prozent | max.: steilster gemessener Abschnitt in Prozent Steigung, je nach Quelle zwischen einem und etwa 200 Metern

Top 5: Die legendären Anstiege der Tour de France

Obwohl die zwei anderen Rundfahrten Giro d’Italia und Vuelta a España in Sachen Terrain und Dramaturgie sogar als härter und wertiger anzusehen sein könnten, ist die Tour de France seit über hundert Jahren das größte alljährliche Radrennen und sogar Sportevent weltweit. Entschieden wird sie an ihren monumentalen Bergen. An Hindernissen wie dem Col d’Izoard, dem Iseran oder dem Cime de la Bonette können austrainierte Profis nicht nur Sekunden verlieren, sondern viele Minuten oder sie müssen sogar die ganze Rundfahrt aufgeben. Da sich die Strecke der Tour jedes Jahr ändert, werden auch immer wechselnde Pässe überquert. Über die Jahrzehnte haben sich aber manche Berge als absolute Entscheider in die Geschichtsbücher eingetragen. Hier zählt ein Sieg doppelt, weil jeder Fahrer in den Siegerlisten stehen will, und Niederlagen wirken vielfach, weil die großen Rückstände schnell jegliche Hoffnung auf den Gesamtsieg vereiteln. Diese fünf Anstiege sind unserer Meinung nach die bedeutungsvollsten in der Tour-Historie:

Alpe de Huez 
"Eine Tour ohne Alpe d'Huez ist wie eine Frau mit Bart.", sagte einst der niederländische Radprofi Peter Winnen. Von dem Zitat des Niederländers mag man halten, was man möchte. Fakt ist, der Anstieg hinauf in das Skiresort ist weder besonders steil noch lang. Und ehrlich gesagt ist Alpe d’Huez nicht einmal schön. Die knapp vierzehn Kilometer hinein in die alpine Sackgasse war aber so oft schon Ziel von Tour de France-Etappen, so oft schon Schauplatz von epischen Duellen späterer Sieger, so oft schon Wendepunkt der Rundfahrt und so oft schon Austragungsort der größten Radsport-Party, dass wenigen Menschen dieser mythische Berg unbekannt ist. Seine einundzwanzig Kehren wurden mit Gedenkschildern den Etappensiegern zugeordnet, und die Schriftzüge der Fans auf dem Asphalt verblassen nie vollends, da die Tour fast jedes Jahr hier zu Gast ist. Die Strecke versprüht ultraviel Rennflair, zumal man Fixpunkte wie die Kapelle samt Friedhof in Kurve neun von den TV-Übertragungen kennt. Hat man die ersten fünf Serpentinen hinter sich, warten kaum noch wirklich steile Passagen auf einen. Größere Herausforderung ist sogar eher die Hitze, der Hang ist nach Süden ausgerichtet und lädt sich ab Sonnenaufgang zum flimmernden Inferno auf. Für die Tour 2013 wurde eine Abfahrt auf der Rückseite des Hangs asphaltiert, seitdem ist die Alpe offiziell keine Sackgasse mehr. Wer sich Radsportler schimpfen möchte, so sagen Hardcore-Radler*innen, muss im Leben ein Mal hier hinauf gefahren sein.  

Luftaufnahme der berühmten Serpentinenstraße von Alpe d’Huez in den französischen Alpen, ein Klassiker der Tour de France.

iStock.com/Carso80

Col du Tourmalet
Die Anstiege in den Pyrenäen gelten fast durchweg als schroffer, weniger rhythmisch und unangenehmer zu fahren als die in den Alpen und Vogesen. Für den Tourmalet gilt das besonders auf der Westseite. Nach kurzem Anlauf beginnt der Anstieg, nur hat man hier Kehren und Serpentinen größtenteils weggelassen und folgt der natürlichen Profilierung. Das ergibt neben stetigen Wechseln von gut fahrbar zu mittelsteil recht lange Geraden. Man hat zumindest optisch das Gefühl, man käme dem Ende kaum näher – bis man dann das Ende, also den Pass, weit oberhalb auf einer mächtigen Felswand thronen sieht. Nach rund fünfzehn mittelharten Kilometer Anfahrt ist das Finale des Tourmalet eine echte Challenge. Man sieht hier allerlei Ziegen, Kühe, Alpakas oder Esel, wenn man dazu noch genug Sauerstoff übrighat. Besser man wird selbst zur Bergziege. Auch der Tourmalet reicht über 2.000 Meter. Wie beim Galibier (siehe unten) ist der Blick über die latent flache Begrenzungsmauer am Straßenrand ins Tal ein beeindruckender Beweis dafür, was man bis hier geleistet hat. Die letzte steile Asphaltzunge mit laut Roadbook über zwanzig Prozent zieht sich ewig, ehe man die schmale Felsdurchfahrt am Pass erreicht. Die 2.115 hohe Überfahrt wurde 1910 das erste Mal innerhalb der Tour de France überquert. Der Sieger musste auf dem letzten brutalen Kehren sein Rad vor Erschöpfung schieben und rief den Veranstaltern im Laufe der Etappe zu, sie seien Mörder. Auch wenn die Straßen seit dem asphaltiert wurden und das Radequipment deutlich bergtauglicher geworden ist, der Tourmalet ist respekteinflößend und von den fünf Tourklassikern nach wie vor sicher der schwerste.

Historischer Anstieg des Col du Tourmalet mit Radfahrer im Anstieg und Pyrenäenpanorama.

iStock.com/Razvan

Col du Galibier 
Der 2.645 Meter hohe Galibier ist, wenn er denn befahren wird, meistens das sogenannte Dach der Tour de France, also der höchste zu überfahrene Punkt. Das allein macht ihn schon zur Herausforderung, noch mehr aber, dass man ihn praktisch nicht solo, also als isolierten Pass, überwinden kann. Von der einen Seite muss man erst über den Col du Telegraph, von der anderen über den Lautaret. Beide für sich sind schon echte Brocken. Die 854 Höhenmeter des Telegraph in den Beinen erlaubt einem der Galibier aus Richtung Valloire, die Beine auf einer nur leicht steigenden Passage entlang eines Bachbetts nochmal durchbluten zu lassen. Viele beschreiben diese Einfahrt in ein geschlossenes Tal wie den Schlund eines Ungeheuers, das einen in Folge frisst und runterschluckt. Denn am Ende des Bachlaufs erkennt man zur Rechten die Straße, wie sie regelrecht in den Fels geschlagen an der fast senkrechten Wand entlang hin und her springt. Die Steigung fällt kaum noch einmal in den einstelligen Bereich. Gleichzeitig fordert die Höhe und die damit dünner werdende Luft ihren Tribut. Und wie es sich für ein Monument der Alpen gehört, warten die echten Rampen erst am Ende, wenn der Blick zurück ins Tal über die teils ungesicherten Straßenkanten schon Schwindel auslösen kann. Der Scheitelpunkt befindet sich in einer Serpentine, die bei Erreichen einen grandiosen Weitblick ermöglicht. Der auf Karten verzeichnete Tunnel, der einem die letzten Kilometer über den Berg ersparen würde, ist übrigens dem Kraftverkehr vorbehalten, man muss den Galibier also bezwingen!

Radfahrer auf dem Col du Galibier mit Blick auf schneebedeckte Gipfel und Almwiesen.

iStock.com/phbcz

PRODUKTEMPFEHLUNG:  
Wenig Gewicht und besonders gute Dämpfung auch in sportlicher Haltung mit dem Ergon SR Allroad Pro Carbon

Mont Ventoux 
Während sich die Riesen der Alpen in Gruppen zueinandergesellen, steht der windige Berg, wie er übersetzt heißt, ziemlich allein und frei in der Provence. Von Weitem sieht man deshalb seinen kahlen, baumlosen Schädel mit den riesigen Funkantennen aus der Ebene ragen. Selten kann man den zu erklimmenden Höhenunterschied aus der Ferne so gut sehen wie hier. Drei Auffahrten bietet der Geröllriese. Die von Bédoin aus beinhaltet allerdings die berühmtesten Schauplätze aus den Gastspielen der Tour. Hier lief Chris Froome nach einem unverschuldeten Crash zu Fuß weiter Richtung Gipfel, hier starb Tom Simpson völlig entkräftet und von dieser Seite aus wartet das legendäre Steilstück zum Gipfel, das mehrfach eine atemberaubende Zieleinfahrt lieferte. Das Profil des Ventoux ist nicht furchteinflößend, wohl aber sein Ruf als windanfälligster Berg. Addieren sie die acht bis zehn Prozent Steigung im Mittelteil mit fiesem Gegenwind weiter oben, wirken die rund 1.500 Höhenmeter doppelt so schwer. Und weil der Berg so kahl ist, findet man auf keiner Passage Schutz. Wer also den kahlen Gipfel bezwingen will, braucht wie die Profis oben noch Kraftreserven und einen starken Kopf, um gegen den doppelten Tretwiderstand zu kämpfen – besonders auf der steilen Schlussrampe. Davon abgesehen hat der Ventoux keine Stellen steiler als vierzehn Prozent.

Schmale Autobahn, die zum Mont Ventoux in Frankreich führt, mit blauem Himmel im Hintergrund.

iStock.com/Wirestock

Grand Colombier 
Auch wenn der Grand Colombier eher als Durchgangszimmer und nicht für Bergankünfte bei der Tour benutzt wird, gilt er als einer der Anstiege mit hohem Potenzial für einen erfolgreichen Angriff, da die engen und kurvigen Abfahrten einem einzelnen Fahrer oder einer kleinen Gruppe einen Vorteil gegenüber großen Fahrerfeldern geben. Hobbybiker*innen kann der weniger hohe aber ebenso wie der Ventoux kahle Berg mehr als einen ganzen Tag beschäftigen. Es gibt vier verschiedene Auffahrten mit jeweils sehr unterschiedlicher Charakteristik, wobei die Westrampe mit mehreren Passagen von annährend zwanzig Prozent Steigung nur für wirkliche Kletterer zu bewältigen sind. Auch die drei übrigen Passstraßen haben ihre Schwierigkeiten, sind aber mit guter Krafteinteilung machbar. Die schmalen Asphaltwege sind wenig befahren und strahlen so etwas wie Gemütlichkeit aus. Weil hier nur wenige Autos fahren, bleiben die Schriftzüge der Tour-Fans auf dem Belag lange erhalten. Die Namen und Zeichen unterm Vorderrad erzeugen unweigerlich die zugehörigen Bilder von Menschenspalieren an der Seite, während dort außerhalb der Tour-Zeiten Kühe entspannt weiden. Von den fünf Klassikern der Tour ist der Grand Colombier landschaftlich der schönste und erfordert zudem keine so lange Anreise.

Steiler Anstieg des Grand Colombier mit Blick auf das Rhonetal.

iStock.com/passimage

Top 5: Die härtesten Berge für dich und dein Rennrad

„Der Berg ist der Gipfel des Schmerzes!“, sagte der US-amerikanische, dreifache Tour-Gewinner Greg LeMond (1986, 1989, 1990). Und zumindest zum Rennradsport gehört für viele das Leiden als ein elementarer Teil dazu. Wie weit man auf der Skala des sich selbst weh Tuns nach oben eskaliert, ist natürlich jedem persönlich überlassen. Die folgenden fünf Steigungen haben aber das Potenzial, Sportler*innen deutlich in den roten Bereich hineinzutreiben. Manche sind besonders lang und versprechen Fahrfreude bergan für über zwei Stunden. Andere lassen auf viel kürzerer Strecke die Beine explodieren, weil Steigungsprozente jenseits der Zwanzig erreicht werden. Und dann ist da noch die Höhe – ab rund 2.000 Metern über dem Meer reicht der Luftdruck nicht mehr aus, um das Blut voll mit Sauerstoff aufzuladen. Das macht jedes Watt Leistung nochmal schmerzhafter. Diese fünf Berge bescheren selbst bergtauglichen Profis große Augen und verzerrte Gesichter. Sie gelten als die härtesten Prüfungen, die man sich auf dem Rennrad selbst auferlegen kann:

Cime de la Bonette 
Während der Col de la Bonette unter den asphaltierten Pässen in Europa in Sachen Höhe der Überfahrt nur die Nummer zwei nach dem Col de I’Iseran ist, kann sich die Cime de la Bonette der Spitzenposition rühmen. Das ist eine Extraschleife vom eigentlichen Pass quasi um den Gipfel herum. Nach rund 1.400 Metern Aufstieg ab Jausiers überlegt sich manch Radfahrer*in ernsthaft, diese Extrameile zu gehen, die Luft wird hier schon sehr dünn. Der Anstieg von der Gegenseite ist übrigens noch länger aber weniger attraktiv. Vom Norden kommend schraubt man sich über einen Wechsel aus Serpentinen und mittelsteilen Geraden aus der Zivilisation heraus nach oben, ehe es in ein felsig schroffes Tal geht. Das ist leicht terrassenartig mit drei oder vier flacheren Passagen, die einen je kurz verschnaufen lassen. Die Steigung an sich ist gar nicht so brutal, aber die Länge und vor allem die Höhe machen den Bonette zur echten Challenge. Dabei könnte das obere Drittel allein so viel Spaß machen. Die abwechslungsreiche Straße und die weite Sicht von fast 3.000 Metern Höhe sucht Ihresgleichen. Trotzdem laugt die Strecke sehr aus. Wer die neu angelegte Gipfelschleife zusätzlich ansteuert, gehört zu den echt harten im Sattel.

Hochalpine Straße am Cime de la Bonette, eine der höchsten asphaltierten Straßen Europas.

iStock.com/Razvan

Stilfser Joch 
Für viel Radfahrer*innen gilt der Anstieg mit seinen 48 Kehren als schönste Passstraße überhaupt. Trotzdem taucht das Stilfser Joch in dieser schmerzhaften Kategorie auf – es hätte auch zu den landschaftlichen Perlen gehören können. Aber diese Perle wartet gleichzeitig nicht nur mit über zwanzig Kilometern Länge und fast 2.000 Höhenmetern auf. Der Pass liegt 2.757 Meter hoch, man fährt also eine gute Stunde in dünner Luft bergan. Schon vom Tal aus sieht man, wo die Reise lang geht – spätestens, sobald man die Baumgrenze verlässt. Die Straße ist in den Hang gefaltet wie die Schwünge eines Snowboardfahrers. Diese gewundene Linie hält auch den allergrößten Teil der Steigung im mittelschweren Bereich, nur nach Kilometer achtzehn ist kurz Schluss mit Harmonie und das Joch wird zur Wand mit Prozentwerten an die zwanzig. Dieses Teilstück und die Höhe haben schon viele Himmelsstürmer*innen gestoppt. Die Abfahrt Richtung Bormio ist fast genauso schön wie die Nordseite. Eine weitere Alternative für die Abfahrt bietet sich nach rund drei Kilometeren Abfahrt, wo man in einer scharfen Linkskurve rechts zum Schweizer Umbrailpass abbiegen kann. Über Val Müstair gelangt man wieder nach Italien und zurück nach Prad. Achtung: Das Stilfser Joch ist meist erst ab Juni und nur bis Oktober schneefrei und für den Verkehr geöffnet.

Legendäre Serpentinen des Stilfser Jochs mit Radfahrern im Aufstieg.

iStock.com/welcomia

Narices del Teide 
Solche flachen Anstiege wie den Teide bezeichnen Radfahrer als Rollerberg. Die Steigung ist durchweg unter sechs Prozent, selbst mit mittlerer Fitness kann man solch eine Auffahrt hinauf fahren, ohne dass die Trittfrequenz zu tief absinkt. Gezeitigt ist das aber der längste Anstieg Europas! Über 2.000 Höhenmeter auf rund fünfundvierzig Kilometer verteilt heißt selbst für gute Sportler*innen, rund drei Stunden bergauf zu fahren. Und obwohl die vulkanische Landschaft auf Teneriffa ein faszinierender Anblick ist, die wenig abwechslungsreiche Peripherie machen die Zeit nicht kurzweiliger und die Hitze von Sonne und erwärmtem Gestein addieren sich über den Tag zu einem Glutofen. Die Straße ist recht neu und lässt sich gut fahren, nur wird sie ebenfalls brutal heiß über den Tag. Man sollte also früh zum Teide aufbrechen. Die Bestzeit auf Strava hält aktuell übrigens Rennradweltmeister Remco Evenepoel mit weniger als einer Stunde, wobei das Segment nicht schon direkt am Einstieg startet. Egal wie schnell, wer den Teide bezwingt, kann stolz auf sich sein.

Vulkanische Landschaft bei Narices del Teide auf Teneriffa mit Radroute.

iStock.com/Iryna Shpulak

PRODUKTEMPFEHLUNG:  
Wenig Gewicht und langes beschwerdefreies Sitzen in Kletterposition mit dem Ergon SR Pro Carbon

Großer Speikkogel 
Der Anstieg gehört zu den härtesten in Österreich und den Alpen allgemein. Auf der Straße Richtung der militärischen Radarkuppeln sind die wenigen Radfahrer größtenteils unter sich, denn am Gipfel geht es nicht weiter – eine Sackgasse. Trotz fünf spürbar flacherer Abschnitte beträgt die durchschnittliche Steigung fast elf Prozent, der Speikogel prüft die Kraft seiner möglichen Bezwinger*innen auf zwölf einzelnen Kilometern mit je zwölf Prozent und mehr. Besonders im mittleren Bereich wird es ohne entsprechende bergtaugliche Übersetzung äußerst schwer und das, obwohl etliche Serpentinen den Aufstieg sogar abmildern. Kurz vor dem Gipfel prüft der Berg Körper und Geist noch einmal mit einem ultrasteilen Kilometer – für die  über zwanzig Prozent steile Rampen muss man sich einiges an Kraft aufsparen. Je näher man der 2.000 Meter-Marke kommt, desto größer ist hier die Gefahr, dass Nebel aufzieht. Dem gilt es vor allem auf der folgenden Abfahrt Rechnung zu tragen.

Alpenstraße zum Großen Speikkogel mit Panoramablick über Kärnten.

iStock.com/Photofex-AT

Monte Zoncolan 
Vor diesem Monster haben sogar Profis Respekt. Und die alte Auffahrt von Priola aus ist dazu noch die heftigste Variante. Die Straße ist zunächst eher ein befestigter Eselspfad als eine Passstraße, ehe man auf den neuen ausgebauten Teil einschwenkt. So kommt man schon am Einstieg des Zoncolan in den Genuss von über zwanzig Prozent. Knapp neun Kilometer gesamt klingen nach wenig, aber dieser Berg kennt im Sinne von Eddy Merckx wirklich keine Gnade. Das Terrain fällt nie unter zehn Prozent Steigung, selbst wenn man die Kurven weit außen anfährt. Innen eskaliert die Steigung auf über dreißig Prozent Steigung! In ihrem Durchschnitt ist diese Straße eine der steilsten in den Alpen überhaupt. Auf den schmalen Teerbändern hat man deshalb außer Wanderern wenig Gesellschaft. Das Finale der letzten Giro d’Italia Etappe hier oben fand sogar noch auf Naturstraßen statt, Bilder belegen aber, dass man mittlerweile auf Asphalt bis auf die 1.740 Meter kommt. Das Verhältnis aus Tretleistung und Gewicht – hier zeigt es volle Wirkung.

Extrem steiler Anstieg des Monte Zoncolan mit dichter Vegetation.

iStock.com/Alexis Amati

Top 5: Die schönsten Anstiege – ein Muss für Rennradfahrer*innen

Warum nicht das Angenehme mit dem Schönen verbinden? Es gibt grundsätzlich wenig Passstraßen, die landschaftlich so gar nichts zu bieten haben, schließlich bringt der Höhenunterschied auch immer eine bessere Aussicht mit sich. Für die folgenden fünf Anstiege ist das allerdings meilenweit untertrieben. Diese Brillanten unter den Steigungen faszinieren Rennradler*innen beim Bergauffahren nicht nur durch ihre harmonische Streckenführung und spektakuläre Aussicht, sondern auch durch ihre Einbettung in die Landschaft und Highlights an der Strecke. Wer diese Klassiker erklimmt, wird auf zweierlei Arten seines Atems beraubt.

Coll dels Reis – Sa Calobra 
Die gewundene Straße vom mallorquinischen Küstenstädtchen Sa Calobra aus gilt als eine der schönsten Radstrecken Europas und man kann sie beziehungsweise muss sie gleich im Doppelpack genießen. Sie erhebt sich nämlich aus einer Bucht und schlängelt sich mit vielen engen Kurven durch Felsen ins Inland Mallorcas. Die Straße ist also eine Sackgasse, man muss grundsätzlich erst über den Coll dels Reis zum Meer herunter und darf dann über anspruchsvolle aber nicht brutal steile zehn Kilometer wieder zum berühmten Krawattenknoten, einer 270 Grad-Kurve durch die eigene Unterführung hindurch, hinaufklettern. Teils hat man durch die Enge und die schroffen Felsen das Gefühl, in einem Gebäude zu fahren. Die spektakuläre Aussicht von oben auf die vielen Haarnadelkurven ist am erhebendsten, wenn außerhalb der Feriensaisons vergleichsweise wenig PKW und Busse durch die Adern von Sa Calobra strömen. Die Kurveninnenseiten sind teils steil und nicht immer kann man wegen des Gegenverkehrs in den Außenbereich ausweichen. Weil der Anstieg aber insgesamt nur 9,4 Kilometer lang ist und damit etwa dreißig Minuten dauert, ist die legendäre Straße eher Genuss als brutale Herausforderung. In der Nähe bietet das Tramuntana-Gebirge etliche weitere Bonbons. Traditionell legen die Rennfahrer den Inhalt ihrer Trikottaschen oben in eine Felsspalte, um ohne Zusatzgewicht auf Bestzeitjagd zu gehen.

Spektakuläre Serpentinenstraße von Sa Calobra auf Mallorca mit Blick auf das Mittelmeer.

iStock.com/Eik Hentschke

Cormet de Roselend 
Der Anstieg am Roselend-Stausee vorbei ist mein persönlicher Genießer-Tipp. Die Straße ist teilweise schmal und der Asphalt etwas rau, dafür ist man nahezu ungestört und auf der Seite von Beaufort auch recht wind- und wettergeschützt. Der Gebirgspass bietet quasi alles, was die gesammelten Alpen ausmacht: Serpentinen, herrliche Wiesen, dichte Wälder, den See, offenes karges Gebirge kurz vorm Sattel, lange Geraden am Hang entlang – aber keine bösartigen Rampen. Die in der Tabelle angegebene Maximalsteigung von über fünfzehn Prozent geht man kurz nach der Seepassage an, über die Staumauer konnten sich die Beine zuvor etwas ausruhen. Auf dem Damm fährt man bei entsprechend gefülltem Stausee mit der Wasserlinie auf Schulterhöhe. Das strahlende, türkise Wasser scheint zum Greifen nah und fasziniert wohl Jeden. Auf dem letzten Teilstück schmerzt der Nacken, weil man sich immer wieder in Richtung des vielleicht schönsten Ausblicks der Hochalpen umdreht. Nicht zu Unrecht ist dieser faszinierende Berg sehr regelmäßig auch auf der Tour de France-Route zu finden.

Malerischer Cormet de Roselend mit See und grünen Wiesen.

iStock.com/Coralie Henz

PRODUKTEMPFEHLUNG:  
Spürbar mehr Komfort auf der rauen Straße durch den Ergon SR Allroad

Col de la Croix de Fer 
Dieser Gebirgspass ist ein Opfer seiner vielen berühmten Nachbarn. In seinem direkten Umfeld sind mit dem Galibier oder Alpe d’Huez Anstiege mit größerer Bekanntheit viel öfter Teil der Tour de France oder bei der Tourenplanung von Hobbyfahrer*innen. Dabei sind sowohl seine Daten als auch seine Charakteristik konkurrenzfähig. Durchschnittlich unter fünf Prozent Steigung ab Rochetaillée klingen harmlos, das liegt aber an einigen Zwischenabfahrten entlang der Passstraße. Die lassen einen durchschnaufen, bevor es wieder in zweistellige Rampen geht. Manch einer würde den Berg als unrhythmisch bezeichnen, im Rennen sicher unangenehm, im Genussmodus aber sehr kurzweilig, trotzdem anspruchsvoll. Es gibt schnelle Wechsel von engen Schluchten und offenen Wiesenhängen oder von Felswänden zu hohen Baumgruppen. In den Zwischentälern steht im Sommer die Luft. Dafür belohnt das letzte Drittel mit Weitblick Richtung Col und einer Reihe von Seen, die sich wie in japanischen Gärten in die Wiesenhänge einfügen. Am Gipfel wartet noch eine Belohnung: ein uriges Bistro mit grandiosem Rundumblick über die Alpen.

Radfahrer auf dem Col de la Croix de Fer mit Blick auf schneebedeckte Gipfel und Almwiesen.

iStock.com/Rudolf Ernst

Colle dei Morti / Col Cuneo 
Dieser Pass hat sozusagen auf der Zielgeraden unseres Rankings noch den Großglockner und die Silvretta Hochalpenstraße verdrängt, weil die beiden durch zu viel Kraftverkehr an Attraktivität eingebüßt haben. Der Colle dei Morti dagegen ist eine geradezu einsame schmale Straße, eher ein asphaltierter Weg. Ab Cuneo könnte man jede der drei möglichen Auffahrten ansteuern, auch eine Seltenheit. Die südliche Strecke gefiel uns besonders, da sie Genießern mit einem Flachstück entlang eines Flüsschens nach etwa dem ersten Drittel des Anstiegs Zeit und Gelegenheit gibt, Kraft zu sammeln und die Erhabenheit und Einsamkeit des Piemont aufzunehmen. Wie der Col de la Madeleine wäre dieser Pass in einem Rennen auch sehr eklig, weil ständig drehend, zudem ebenso oft steiler und flacher werdend. Genau so hätte es Marco Pantani gefallen. Dem verstorbenen Tour-Sieger von 1998 wurde am Gipfel ein Denkmal gesetzt. Wer ohne Gegner in dessen Richtung auffährt, reitet über den Bergrücken, das Sträßchen tanzt über den Hang und zieht Fahrer und Fahrerin mit sich. Auf den letzten der vierundzwanzig Kilometer sind es eher einzelne Buckel als eine gleichförmige Steigung, über die man bereits die umliegenden Berge genießen kann. Auch als Col Cuneo bekannt ist dieser lange Pass ein Fahrrad-Eldorado für Naturliebhaber.

Einsame Bergstraße des Colle delle Morti in den italienischen Alpen.

iStock.com/SurkovDimitri

Sella Joch / Ronda 
Wer schon mal versucht hat, in den Dolomiten ein schlechtes Foto zu machen, ist daran sicher gescheitert. Das Sella Massiv bietet Rennradfahrer*innen unzählige wunderschöne Anstiege. Einige davon kann man zur berühmten Sella Ronda aneinanderreihen, eine Rundtour über vier epische Berge, die zwei Mal im Jahr zum Bike Day für Autos gesperrt sind (Tipp: bei komoot zu finden). Einer dieser Berge ist das Sellajoch. Obwohl über dreißig Kilometer und die 1.721 Höhenmeter einschüchternd wirken, die Italiener haben die Serpentinen so harmonisch in die Dolomiten gelegt, dass man stets genug Energie übrighat, um die wie Zähne aus den grünen Wiesen ragenden ehemaligen Korallenriffe zu bewundern. Die zwei Tunneldurchfahrten spenden Kühle. Achtung bergab, hier kann es trotz Mittagshitze feucht sein. Den Pass schafft man auch mit weniger Fitness, man sollte nur etwas Kraft für das Finale aufsparen, man geht deutlich über die 2.000 Meter-Grenze und Richtung Kuppe kann Gegenwind aufkommen. Die schönsten Ausblicke erlebt man am Abend, wenn sich die Dolomiten ihr rotes Leuchten aufsetzen, die Sonne wird vom speziellen Gestein in warmem Rot reflektiert. Wie bei allen hohen Pässen gilt es im Vorfeld zu checken, ob die Straße befahrbar oder geöffnet ist. Hier herrscht der Winter teils bis in den Mai hinein.

Blick auf das Sella Joch mit den Dolomiten im Hintergrund.

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Top 5: Pässe für Genießer und Einsteiger

Zu hoch, zu steil, zu lang und zu weit weg, um sie auch als Einsteiger*in oder Untrainierte*r zu genießen – viele der Pässe oben schüchtern gerade die Neulinge auf dem Rennrad ein. Besonders, wenn man sich und die Ansprüche solch einer Etappe nicht gut einschätzen kann, schrecken die oben genannten fünfzehn Gipfel eher ab. Aber ein Berg definiert sich nicht nur durch seine Maximalwerte. Etliche Highlights in Schwarzwald, Alpen oder Pyrenäen sind nicht rekordverdächtig schwer. Vielmehr sind es sogenannte Rollerberge, das sind Steigungen mit konstant flachem Anstieg ohne harte Rampen oder ohne über 2.000 Meter Höhe hinauszugehen. Sie bieten trotz alledem faszinierende Straßen durch wundervolle Landschaften. Da lässt sich leicht verschmerzen, dass man auf dem Pass nicht mit den Zahlen der ganz großen Brocken glänzen kann.

Grand Ballon 
Es müssen nicht immer die Hochgebirge sein, auch die Vogesen bieten herrliche, lange und knackige Anstiege. Der Grand Ballon beinhaltet alle erdenklichen Varianten auf einmal. Nicht weniger als sieben Auffahrten gibt es, von sehr lange und anfängerfreundlich über die Orte Kruth und le Markstein bis zu hochgebirgig steil und eng, wenn man von Süden her ab Moosch startet. Laut vorliegendem Bildmaterial wurde jüngst ab St. Amarin eine eigene Rad- und Wanderroute asphaltiert. Die Variante von Soulz aus beinhaltet über 1.000 Höhenmeter, aber verteilt auf fast zwanzig Kilometer. Durch den Wald ist man windgeschützt und im Sommer ist die Hitze hier ganztätig auszuhalten. Es geht zunächst stetig leicht bergan über den Col Amic. Auf den ersten zwei Dritteln darf man sich wie ein top Bergfahrer fühlen. Bei drei bis vier Prozent kann ein halbwegs fitter Mensch auf einem Rennrad noch dynamisch und rund treten. Im letzten Drittel erinnert der Verlauf an den Madeleine, auch wenn man erst kurz vor dem Pass den Schutz der Bäume verlässt. Der Grand Ballon besitzt kaum steile Felswände. Man hat nicht den Ausblick wie von einem Balkon, dafür wirken weder Auffahrt noch Abfahrt in irgendeiner Weise bedrohlich. Dieser höchste Berg in den Vogesen ist ein hervorragender Berg zum Üben und Gewöhnen.

Grand Ballon, befahren von einigen Fahrern im Rahmen der Tour de France

A.S.O./Pauline Ballet

Col de la Madeleine 
Der Madeleine wurde oft als Jan Ulrichs Lieblingsberg etikettiert, nachdem er sich dort 1998 an Marco Pantani für eine bittere Niederlage am Tag zuvor revanchieren konnte. Ein anderer deutscher Radsportheld, Didi Thurau, bezeichnete den gerade eben an die 2.000 Meter reichenden Anstieg als grausam. Das mag in einem Rennen so sein, weil man die flacheren Teilstücke zwischen den moderaten Steigungen unbedingt auch mit Druck absolvieren muss. Als Genießer kann man sie jedoch zum Entspannen nutzen. Besonders die lange Auffahrt von Feissons aus wird ohne Zeitdruck zu einer rhythmischen, wenn auch fordernden, Liebhabertour. Wenn man es auf eben den Segmenten, auf denen es gut rollt, nicht übertreibt, bleiben genug Körner im Tank, um kurzzeitig auch mal bis acht oder neun Prozent zu schaffen. Der Madeleine ist trotz seiner Höhe ein grüner Berg, wenig bis keine Felsen, dafür viel sattes Gras. Die breite und gut ausgebaute Straße kostet optisch ein wenig Romantik, tagsüber ist hier aber nicht viel Verkehr. Über fünfundzwanzig Kilometer Anstieg mögen nichts für komplette Einsteiger sein, aber als erste große Herausforderung im Rennrad-Leben ist dieser Anstieg perfekt.

Serpentinen des Col de la Madeleine mit dramatischer Bergkulisse in den französischen Alpen.

iStock.com/Myrtille Dupont

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Belchen 
Der Belchen gehört definitiv in die Genusskategorie, allerdings weniger wegen seines Profils, sondern wegen der regional konkurrenzlosen Aussicht. Für solch einen Rundumblick muss man sonst aus Deutschland kommend sehr viel weiter fahren. Das liegt an der exponierten Lage des vierthöchsten Gipfels im Schwarzwald. Wer von der runden Kuppel aus bis weit in die Alpen Frankreichs und der Schweiz, angeblich manchmal bis zum Mont Blanc, schauen möchte, muss sich das aber verdienen. Von Wiesental aus führt eine massentaugliche Steigung in Schlagdistanz des Belchen. Erst gut vier Kilometer vor Ende startet der eigentliche Anstieg, in dem Bereich teilt man sich die Strecke nur noch mit dem Linienverkehr und je nach Jahreszeit vielen bis endlos vielen Ausflüglern zu Fuß. Gipfelwärts wartet dann der Scharfrichter. Die Stichstraße macht ihrem Namen alle Ehre und stellt sich mit einer Wand in den Weg. Wer die zweiundzwanzig Prozent bezwingt, darf das stolz zuhause berichten. Das Teilstück ist keine zweihundert Meter lang, dafür angsteinflößend. Von Münstertal aus erspart man sich den Stich. Bedenkt man die relative Nähe des Schwarzwaldes und den Ausblick als Belohnung, ist das aber einen Versuch wert. Der Einstieg ist laut einiger Rezensionen nicht leicht zu finden, rechts der Bergbahnstation muss zum Start ein kurzes Schotterstück überwunden werden.

Panoramaaufnahme des Belchen im Schwarzwald mit kurviger Bergstraße und dichter Waldlandschaft.

iStock.com/Simon Dux

Passo di Gavia 
Der südliche Nachbar des Stilfser Jochs und des berühmten Mortirolo Passes wurde erst vor kurzem frisch asphaltiert und bietet eine ähnlich spektakuläre Sicht auf die Berge im Grenzgebiet von Italien und der Schweiz wie der deutlich bekanntere Stelvio, italienisch für das Stilfser Joch. Beide gehören mit dem Bonnet und dem Galibier zu den Monumenten, deren Überfahrt höher als 2.600 Meter liegt. Trotz der milden Gesamtsteigung des Gavia von gerade fünfeinhalb Prozent kann man also nicht von einem einfachen Pass sprechen. Die Nordauffahrt verlangt zwar nicht nach besonders viel Kraft, dafür aber nach Sitzfleisch. Die harmonische aber herausfordernd lange Straße musste nicht wie beim Stilfser Joch spektakulär an oder in den Felsen gebaut werden, sie folgt in großen Teilen der ursprünglichen Landschaft mit dem Lago Bianco am Gipfel als Highlight. Selbst, wer nicht zu den Bergspezialisten mit Rennrad zählt, kommt mit dem Gavia im Allgemeinen gut zurecht. Wenn überhaupt, ist der Pass eine mentale Challenge, es gibt weniger Serpentinen und mehr lange Geraden. Das macht es schwerer, sich im Kopf von Fixpunkt zu Fixpunkt zu hangeln. Gerade zwischen Kilometer neunzehn und einundzwanzig gilt es, hart zu bleiben. Hier wird der Gavia entgegen seines eigentlichen Streckenverlaufs kurz etwas steiler. Aber das geht schnell vorbei und gleichzeitig lenkt das Panorama mit teils noch schneebedeckten Gipfeln am Horizont ab. Von der Südseite sind solche Kletterpassagen deutlich häufiger und man kann gleich zwei Seen genießen. Der Passo di Gavia ist unter Radfahrer*innen noch kein Mainstream und bietet sowohl eine sportliche als auch eine Genussvariante.

Schneebedeckte Straße des Passo di Gavia mit dramatischer Alpenkulisse.

iStock.com/undefined undefined

Imbros Pass 
In Europa gibt es nur die Alpen, Vogesen und Pyrenäen? Vielleicht trifft das zu, wenn man Passstraßen sucht, an denen man länger als zwei Stunden unterwegs ist. Wenn es nicht um sportliche Superlative geht, ist der Imbros Pass auf Kreta aber ein landschaftlich herrliches Gegenbeispiel. Kreta gilt allgemein als so etwas wie ein Geheimtipp für den Radtourismus. Die beiden Auffahrten zum Imbros Pass verbinden die gegenüberliegenden Seiten der Insel an ihrer schmalsten Stelle. Die ausgebaute Straße auf der etwas schöneren Südseite windet sich durch die typischen griechischen Felsenlandschaften, was auch heißt, dass es ab Mittag hier heißer und heißer wird. Das gilt natürlich für alle Straßen auf Kreta und wahrscheinlich in Griechenland, selbst wenn wie am Imbros Pass das Meer quasi nie aus dem Blick gerät. Von den vierzehn Kilometern Aufstieg sind insgesamt ein Drittel annähernd flach mit maximal drei Prozent, nach acht Kilometern hat man das Schlimmste eigentlich schon geschafft. Allerdings ist man dem offenen Meer sehr nahe und je nach Windrichtung und Stärke können auch zwei oder die Prozent Steigung anstrengend sein – dafür wird es dann angenehm kühl. Wer am Gipfel noch Reserven hat, kann auf der Kuppe rechts abbiegen und den Asfendos Pass anschließen. Das sind dann weitere dreihundert teils knackig steile Höhenmeter.

Schmale Straße durch die Schlucht des Imbros Pass auf Kreta.

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