Beyond Limits
Ergon-Athletin Laura Philipp hat beim Ironman in Nizza sensationell den Weltmeister-Titel gewonnen. Mit Freudentränen in den Augen überquerte sie nach 8:45:15 Stunden überglücklich die Ziellinie auf der berühmten Promenade des Anglais.
„Das ist das beste Gefühl der Welt“, sagte Laura Philipp in die Mikrofone der vielen Journalisten, nachdem sie das Zielbanner, zusammen mit einer Deutschland-Fahne, in die Luft gereckt hatte. Zuvor hatte die 37-Jährige aus Neckargemünd, die ihre Rennen mit dem Ergon SR Tri-Sattel bestreitet, ein nahezu perfektes Rennen hingelegt und sich damit den größten Erfolg ihrer bisherigen Karriere gesichert.
Nizza Facts
- 53:16 Minuten
- 5:02:25 Stunden
- 2:44:59 Stunden
Work hard. Have fun. Kick Ass.
Laura Philipp kam erst spät zum Triathlon-Sport. Umso mehr ist ihr heute bewusst, dass sie das Beste aus der für sie verbleibenden Zeit als Profisportlerin herausholen möchte. Alles, was sie tut, macht sie extrem diszipliniert. Das sei, so sagt sie, ihre Herangehensweise an den Sport, ohne Disziplin würde es nicht gehen. Trotz aller harter Arbeit genießt Philipp, was sie tut. „Ich habe viel Spaß, weil ich liebe, was ich mache“, sagt sie. Darüber hinaus liebe sie es, sich weiterzuentwickeln. Nur so könnten letztlich die „KickAss“-Leistungen entstehen. Diese Worte, so Laura Philipp, seien zugleich ihr Motto, ihre Motivation, ihre Super-Power.
Ich bin einfach nur dankbar, dass mich mein Körper heute so ins Ziel gebracht hat. Das ist das beste Gefühl der Welt!
Throwback
Laura Philipps Einstieg in den Triathlon-Sport war in ihrer Jugend nicht unbedingt absehbar. Eigentlich gehörte ihre Leidenschaft dem Klettern, wo sie es schaffte, Passagen mit dem Schwierigkeitsgrad 9+ (!) zu erklimmen. Während ihrer Oberstufenzeit gingen ihr jedoch die langen Warte- und Fahrzeiten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln auf dem Weg zur Schule zunehmend auf die Nerven. Sie beschloss fortan mit dem Fahrrad zur Schule zu radeln. Tatsächlich war sie nicht nur schneller als ihre Mitschüler, die die Öffis nutzten, sie berichtet auch, dass sie sich schon bald im Unterricht besser konzentrieren konnte.
60 Kilometer Radfahren gehörten also nun jahrelang zu ihrem täglichen Programm. Ihr Eintritt in den Laufsport gestaltete sich ähnlich zufällig. Weil ihr die rund fünf Kilometer langen Gassi-Runden mit dem Familienhund zu langweilig wurden, begann sie, diese Alltagsroutine joggend zu verrichten. Schnell gewann sie Gefallen an längeren Runden. Schwimmen brachte sie sich anschließend mittels Youtube-Videos bei, und so brauchte es nur noch eine Teilnahme am lokalen „Heidelberg Man“, einem Triathlon über die olympische Disziplin, um zu realisieren, dass sie Talent für den Sport hatte. Der Rest ist Geschichte: Es folgte der kontinuierliche Aufstieg in der Triathlon-Welt, gespickt mit vielen Siegen.
Lauras Ergebnisse der vergangenen drei Jahre bei den Ironman-Weltmeisterschaften
Mentale Stärke
Ehrgeizig, leidenschaftlich, wissbegierig – so schätzt sich Laura Philipp selbst ein. Sie möge es, sich selbst herauszufordern, offen für Neues zu sein und ihre Grenzen zu verschieben. Dies hilft ihr auch in der täglichen Arbeit mit ihrem Trainer und Ehemann Philipp Seipp. Sie sei immer offen für dessen Verbesserungsvorschläge, auch wenn es mal Kritik gebe, was nicht immer angenehm sei. Vielleicht, so Philipp, sei dies ihr eigentliches Talent, die Art und Weise und die Offenheit, wie sie an Dinge herangehe. Auch dass sie 99 Prozent ihres Trainings allein absolviert, stört sie nicht. Das Alleinsein erlebe sie durchaus als etwas sehr Schönes, weil sie sich somit voll auf die Ziele des Trainings konzentrieren könne und immer im Moment lebe. Somit gelingt es Laura Philipp – zumindest in den ruhigeren Einheiten – schon während des Trainings ihre Gedanken zu sortieren und ihre innere Balance zu finden. Diese wiederum führt zu mentaler Stärke. Wie stark sie mittlerweile ist, das zeigte sich schon im Oktober 2022 während der Ironman-WM auf Hawaii. Für sie völlig unverständlich, wurde sie nach rund 45 Kilometern auf der Radstrecke mit einer Fünf-Minuten-Zeitstrafe belegt, die sie aus den Top-Ten zurück auf den 40. Platz warf. Obwohl sie diese Bestrafung zuerst völlig frustrierte, schaffte sie es, sich auf den vierten Rang vorzukämpfen.
Im Ziel war sie zuerst dennoch so unglücklich, dass sie überlegte, den Sport an den Nagel zu hängen. Erst beim Ansehen der Rennaufzeichnung, in der die Reporter immer wieder sagten, wie stark ihre Aufholjagd sei, sei ihr bewusst geworden, welche grandiose Leistung sie dort abgeliefert hätte.
Es geht um die richtige Balance. Der Kuchen als Belohnung tut meiner Seele gut – das macht mich besser.
Körper und Seele in Einklang
Laura Philipp lebt nach der 80/20-Regel. Natürlich, so sagt sie, ernähre sie sich zu 80 Prozent gesund. Bei all der harten Trainingsarbeit müsse es aber auch Dinge geben, die ihre Seele befriedigen. Und so gehört bei ihr ein Stück Kuchen fest zum Trainingsalltag. Insgesamt ist ihr Balance enorm wichtig. Nur so lassen sich ihrer Meinung nach Höchstleistungen erbringen, nur so schaffe sie es bis ans Limit und manchmal auch darüber hinaus zu gehen. In Bezug auf Balance und körperliche Gesundheit weist sie auch darauf hin, dass sie und Philipp Seipp den weiblichen Zyklus bei der Trainingsplanung genau beobachten und einbeziehen, wenn es um Trainingsumfänge und -intensitäten geht. In der ersten Zyklus-Hälfte, sagt sie, denke sie oft, dass sie im Training richtig gute Beine habe und Bestzeiten aufstellen könne, während sie in der zweiten Hälfte eher mit sich kämpfen müsse. Dabei scheint eben diese Trainingsarbeit, die den weiblichen Zyklus berücksichtigt, enorme Erfolge zu ermöglichen. Nach ihrem Triumph in Nizza zitierte sie die Presse so: „Ich bin in der ersten Hälfte meines Zyklus. Ich habe immer gehofft, dass die WM einmal in diese Phase fällt.“