Brauchen Frauen andere Fahrradsättel als Männer?
Wir bei Ergon sagen ganz klar: „Ja!“ Unseren Studien zufolge brauchen Frauen und Männer unterschiedliche Sättel. In zahlreichen Satteldruckmessungen durch unsere Sportwissenschaftler*innen aus dem R&D-Team und in Zusammenarbeit mit renommierten Universitäten und Instituten, wie zum Beispiel der Deutschen Sporthochschule Köln, konnten wir nachweisen, dass es Unterschiede in der Satteldruckverteilung zwischen Männern und Frauen gibt. Je besser der Sattel zu deiner individuellen Anatomie und Sitzposition passt, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass du gut sitzt und keine Beschwerden bekommst. Daher haben wir neben verschiedenen Sattelbreiten unterschiedliche Sattelkonzepte für Männer und Frauen entwickelt.
Warum reden Frauen weniger über Probleme mit dem Sattel?
Schmerzen oder Diskomfort im Schambereich sind sehr intime Themen, über die Frau in der männerdominierten Radsportwelt nicht einfach so spricht. In den Fahrradläden arbeiten überwiegend Männer und viele wissenschaftliche Untersuchungen behandeln nur die männerspezifischen Sattelprobleme. In Wirklichkeit sind Frauen jedoch nicht weniger häufig von Sitzproblemen betroffen und die Folgen sind ebenso weitreichend.
Welche Folgen kann ein unpassender Sattel haben?
Ein unpassender Fahrradsattel kann eine Vielzahl von negativen Auswirkungen haben:
- schmerzende Druckstellen an den Muskel- und Sehnenansätzen von Sitzbeinknochen und Schambein
- wunde Hautpartien
- entzündete Haarwurzeln, Furunkel bis hin zu tiefen Abszessen
- Taubheit im Intimbereich
- Infektionen des Urogenitalbereichs
- schmerzendes Steißbein
- Schwellungen der Schamlippen bis hin zu irreversiblen Lymphödemen
Die Liste der möglichen Sitzbeschwerden ist lang (und unangenehm). Klar ist, dass Radfahren mit solchen Beschwerden nicht mehr so viel Spaß macht, wie es eigentlich sollte. Ein passender Sattel ist daher unerlässlich.
Woran erkennt man, dass ein Sattel passt?
Ob dein Sattel zu 100 Prozent der richtige für dich ist, erkennst du leider erst nach ein paar Fahrten. Bei den ersten Touren spürst du eventuell leichte (!) Druckstellen an den Beckenknochen – dein Gesäß benötigt manchmal eine kurze Gewöhnungszeit. Sind es jedoch starke Hautirritationen, Schwellungen, Taubheitsgefühle oder Schmerzen, stimmt etwas nicht.
Beachten solltest du, dass das ganze System aus Sattel, Polsterhose und Radeinstellung zusammenpassen muss. Du kannst den richtigen Sattel haben, mit einer unpassenden Hose, einer falschen Sattelhöhe oder einer insgesamt unergonomischen Radeinstellung, kannst du dennoch Sattelprobleme bekommen. In unserem Bike Ergonomics Kanal findest du Tipps für die richtige Polsterhose und die korrekte Einstellung deines Rades. Bei letzterem ist die Fitting Box, das DIY Bike Fitting Tool von Ergon, eine große Hilfe.
Warum braucht eine Frau einen speziellen Sattel?
Die Beckengeometrie von Frau und Mann unterscheidet sich grundlegend. Das Frauenbecken ist darauf ausgelegt dem Kopf des Kindes bei der Geburt ausreichend Platz zu bieten. So stehen die Schambeinäste in einem größeren Winkel zueinander und der Schambeinbogen (der Bereich in dem sich der linke und der rechte Teil des Schambeinknochens treffen) liegt niedriger als beim männlichen Becken. Bei falscher Sattelwahl wird das Körpergewicht nicht von den knöchernen Strukturen des hinteren Sitzbereichs getragen, sondern lastet auch weiter vorne, im sensiblen Intimbereich. Das Weichteilgewebe wird dann regelrecht zwischen Sattelnase und Schambeinknochen gequetscht. „Bei Radfahrern ist der Dammbereich gefährdeter, bei Radfahrerinnen ist es der Genitalbereich. Die Vulva ist nicht „mobil”. Bei einem unpassenden Sattelmodell gefährden die Druckspitzen die außenliegenden weiblichen Geschlechtsteile und die sie versorgenden Blutgefäße, Lymph- und Nervenbahnen.”, weiß Dagny Hilpert, Ergonomiespezialistin bei Ergon. „Daher haben wir, als einer der wenigen Sattelhersteller, für jeden Einsatzbereich einen Damensattel und einen Herrensattel im Programm.“ Weitere Infos findest du auch im Bike Ergonomics Beitrag „Spezielle Damensättel: Warum das so wichtig ist“ mit unseren Ergonomie-Expert*innen.
Ist der Sitzknochenabstand bei Frauen größer als bei Männern?
„Der durchschnittliche Abstand der Sitzknochen ist bei Damen größer als bei Herren, aber eben nur im Durchschnitt. Es gibt Frauen mit einem geringeren und Männer mit einem größeren Sitzknochenabstand als das jeweilige geschlechtstypische Mittel. Aus diesem Grund sind unsere Sättel immer in zwei Größen erhältlich.“, erklärt Simon Schumacher, Leiter unserer Ergonomie-Abteilung. Der Abstand der Sitzknochen kann bei jedem Ergon Händler schnell und einfach vermessen werden, um die für dich passende Sattelbreite zu ermitteln. Hast du keinen Händler in deiner Nähe, hilft dir unser online Saddle Selector weiter.
Was braucht ein Fahrradsattel, damit Frauen schmerzfrei biken können?
Um Frauen schmerzfreies Radfahren zu garantieren, muss der Sattel den auftretenden Druck auf die Beckenknochen übertragen und das empfindliche Weichteilgewebe entlasten.
Dazu musst du folgendes beachten:
- Der Sattel sollte zu deinem Geschlecht (Beckenform, Weichteilgewebe) passen.
- Die Sattelbreite sollte zu deinem Sitzbeinhöckerabstand passen.
- Die Sattelform sollte zu deinem Fahrradtyp (Sitzposition, Einsatzzweck) passen.
- Die Polsterung sollte zu deiner Fahrdauer und -häufigkeit passen.
Bei Ergon empfehlen wir für Frauen natürlich einen Frauensattel. Abgestimmt auf die Beckenform in der jeweiligen Sitzposition, arbeiten wir mit einem tiefen Entlastungskanal oder einer Aussparung, also einem Loch im Sattel. So wird der Druck abhängig von der Beckenstellung optimal auf die knöchernen Strukturen verteilt und der Druck im Genitalbereich reduziert. Ein Lochsattel ist aber nicht per se die Lösung, denn ist das Konzept nicht durchdacht, sorgen die Kanten für unangenehme Druckspitzen. Anders als bei einem Stufensattel bietet dir das Ergon-Konzept noch dazu ausreichend Bewegungsfreiheit in allen Situationen:
- Wenn du auf deinem Mountainbike einen steilen Berg erklimmst und auf die Sattelnase rutschen möchtest.
- Auf deinem Rennrad zwischen den Lenkerpositionen wechselst und dementsprechend deine Haltung variieren musst.
- Auf deinem E-Bike bei einer langen Tour ein wenig nach vorne oder hinten rutschen möchtest, um deinem Hintern eine kurze Abwechslung zu gönnen.
Zum Abschluss noch zur Polsterung: Je länger und häufiger du fährst, desto dünner gepolstert und straffer darf der Sattel sein. Das zeichnet einen bequemen Sattel für lange Touren aus. Fährst du nur unregelmäßig und sehr kurze Strecken, kannst du zu einem weicheren, dicken gepolsterten Modell greifen.